Samstag, 27. April 2024

Hexagonales Wasser

 


Auch hier im Alpental geht die Antennen-Angst um. Eine Gruppe von Menschen versucht die Installation von 5G Mobilfunk auf dem bestehenden Mobilfunkmast zu verhindern. Sie verteilen Flugblätter, intervenieren in der Gemeindeversammlung und im Lokalblatt. Sie sammeln sogar Geld um damit einen Anwalt und einen Experten zu bezahlen. Der Experte sei Spezialist, ein Radio-Ingenieur, der sich mit gefährlichen Strahlen auskenne. Und 5G-Strahlung sei besonders gefährlich. Gut, dass meine Antennen inkognito sind. 

Hoffentlich sprengen die unsere Mobilfunkantenne nicht. Sie ist nämlich unsere Einzige. Sie steht weit außerhalb des Dorfes auf einem Hügel und ihre einzigen Nachbarn sind ein paar Kühe auf den Alpweiden. Ob die Kühe auch Angst vor 5G haben und deswegen vielleicht weniger Milch geben?

Doch wie bei allem gibt es auch hier einen Gegenpol.

Erstaunlicherweise gibt es offenbar Menschen, die sich geradezu zu elektromagnetischer Strahlung hingezogen fühlen. Sogar so sehr, dass das BAKOM, das Bundesamt für Kommunikation einschreiten musste. Diese Menschen fabrizieren nämlich hexagonales Wasser aus gewöhnlichem Wasser. Dazu brauchen sie Hochfrequenz. Zwar keine 5G Strahlung im Gigahertz-Bereich, sondern - wie könnte es anders sein - u.a. Wellen aus unserem 2m Band.

Die werden ja bereits von Heilern benutzt, die mit Antennen über schmerzende Gelenke und Organe streichen. Ein Brauch, der offenbar noch nicht ganz verschwunden ist, wenn man den Frequenzbereich bei 144 MHz beobachtet. 

Diese Affinität gegenüber der 2m Welle hat vielleicht seine Gründe im Aufbau des menschlichen Körpers. Dieser, beziehungsweise Teile davon, scheint gewisse Resonanzen aufzuweisen. Wir Funker wissen das auszunutzen. Je nachdem wie wir unsere Handsprechgeräte halten, agiert unser Körper als Reflektor und verschafft uns einen zusätzlichen Antennengewinn in eine bestimmte Richtung. 

Wie weit der Mensch elektromagnetische Strahlung wahrnehmen kann und ob ihm nicht ionisierende Strahlung ab einer gewissen Stärke schadet, ist umstritten. Und ob wir wirklich 5G brauchen, nachdem wir doch die Glasfaser im Haus haben ist fraglich.

Aber die beiden Extreme zeigen sehr schön, dass wir Menschen in verschiedenen Realitäten leben.

Montag, 22. April 2024

Funken aus dem Alpental - Teil 2

 

Bild: Links Dent de Brenleire 2354m  HB/FR-003, rechts Dent de Folliéran 2340m HB/FR-041

Teil 2: Die Kurzwelle im Alpental.

Der Baum ist der Freund des Funkamateurs. Er ist ein geduldiger Befestigungspunkt für Drahtantennen aller Art. Natürlich sind Bäume viel mehr als Antennenträger und ich bin glücklich, vor dem Fenster meines Shacks eine ganze Reihe von ihnen zu sehen. Zu sehen, wie sie ihr Blätterkleid den Jahreszeiten anpassen, wie sie wachsen und den Eichhörnchen und Vögeln Unterschlupf gewähren. Eine mächtige Tanne steht 15m entfernt und wird bald das Haus überragen. Rechts davon wächst eine Rotbuche. Sie entfaltet im Frühling als letzte ihre Blätter. Gleich daneben stehen zwei Weiden. Nach ihrem üppigen Wachstum zu schließen, haben ihre Wurzeln viel Wasser gefunden. Etwas weiter weg behaupten ein Bergahorn und eine Hainbuche ihre Plätze. 

Natürlich wäre es ein Leichtes, vom Shack aus einen Draht zu spannen. Aber ich habe mich vorerst gegen diesen Schritt entschieden. Und das hat seine Gründe:

An einem neuen QTH ist es empfehlenswert, nicht gerade mit der Tür ins Haus zu fallen, beziehungsweise mit der Antenne in den Garten. Trotzdem hätte ich auch hier im Alpental wohl zuerst mal einen Draht gespannt. Als End Fed Antenne mit einem Unun

Ich habe es nicht getan, weil ich vor drei Jahren eine Antenne entdeckt habe, die ich bisher nur als Notlösung angesehen hatte: Die Magnetische Antenne.

Was zuerst nur ein Experiment gedacht war, aus Neugier geboren, entwickelte sich bald zu einer Faszination, die mich nicht mehr losließ (Hier ein Bericht aus dieser Zeit). Je mehr ich von diesen Loop-Antennen baute, desto mehr begann ich ihre Eigenschaften zu schätzen und sie immer besser zu verstehen. Ich begriff, wieso andere OM auf diesen Antennentyp schwören und ich verstand aber auch die, welche der Magnetloop nichts abgewinnen können. Und so kam es, dass ich anstatt einen simplen Draht zu den Bäumen hinter dem Haus zu spannen, eine Magnetloop unter dem Dach aufbaute. Nicht nur eine. Inzwischen habe ich hier eine ganze Reihe Magloop's auf- und wieder abgebaut. Meine letzte Loop habe ich Omega-Loop genannt. Mal sehen ob es dabei bleibt oder ob ich sie umbenennen muss. 

Eine Antenne im Haus hat ihre Vor- und Nachteile, ob es nun eine elektrische oder magnetische ist. Aber ein entscheidender Vorteil ist der, dass man an seiner Antenne jederzeit herumbasteln kann, ob es stürmt oder schneit. Je älter man wird, desto mehr beginnt man, diesen Umstand zu schätzen. Muss man als älterer OM aufs Dach, weil das Kabel abgesoffen ist, wird es kritisch. Ab einem gewissen Alter wird schon die Leiter zu einem Risiko. 

Doch kommen wir zu des Pudels Kern: Was kann die Kurzwelle, wenn man im Alpental sitzt?

Da gibt es eine gute Nachricht und eine schlechte: Die gute Nachricht ist die, dass natürlich auch über dem Alpental eine Ionosphäre vorhanden ist. Über diese funken wir, wenn wir die Kurzwelle benutzen. Meistens auf jeden Fall. Nur wer im flachen Land oder am Meer wohnt, kann über nennenswerte Verbindungen mittels Bodenwelle berichten. Aus dem Alpental hinaus schafft es die Bodenwelle kaum. Muss sie über den Berg, geht ihr der Schauf aus. 

Die schlechte Nachricht wird viele Funkamateure erschrecken: Aus dem Alpental ist DX schwierig. Wenn andere Funker seltene Inseln erreichen und SSB-Verbindungen mit allen Kontinenten genießen, ist der Alpental-Funker meist zum Zuhören verdammt. Der Unterschied ist frappant. Wenn mein Funkkollege auf dem Hügel im Mittelland mit Australien parliert und 59 gibt, höre ich im Tal meist nichts.

Das liegt nicht an der Antenne. Sondern ausschließlich am Abstrahlwinkel. Elevation oder Höhenwinkel genannt. Um DX zu arbeiten müssen die Radiowellen möglichst flach abgestrahlt werden, damit sie möglichst weit kommen, bevor sie an der Ionosphäre reflektiert werden. Das ist das A und O des DX. Wenn du DXer bist und gerne in die Berge ziehen möchtest: mache dich nicht unglücklich. Wähle statt dessen ein QTH am Meer. Es ist ein riesiger Unterschied, ob dein Funksignal zum ersten Mal in 3000km auf die Ionosphäre trifft, oder bereits nach 1000km.

Nicht dass DX ganz unmöglich wäre. Auch in einem Alpental gibt es irgendwo eine Lücke, wo die Berge nicht so hoch sind. Meistens talabwärts. Bei mir liegt in dieser Richtung Brasilien. Da sind ab und zu Verbindungen möglich. In andere Richtungen, wo besonders hohe Berge die Abstrahlung behindern, ist gar nichts zu machen. Stationen aus den USA höre ich nur schwach und selten. Da nützt es auch nichts, eine Antenne zu bauen, die besonders flach strahlt. Im Gegenteil, Mit einer flach strahlenden Antenne - zum Beispiel einem Beam - strahlt man nur die Felswände an.  

Mit Abstrahlwinkeln von 30 Grad macht man zwar kein DX, doch für kürzere Strecken funktioniert die kurze Welle aus dem Alpental ausgezeichnet. NVIS im Umkreis von ca. 500km geht sehr gut und bei Europa QSO's kann man mit Stationen aus dem flachen Land durchaus mithalten. 

Und da kommt jetzt die Magnetloop-Antenne ins Spiel. Diese Art Antenne, vertikal aufgebaut, strahlt in allen Elevationswinkeln. Sie ist insbesondere auch ein sehr guter NVIS-Strahler. Darum findet man sie beim Militär auch oft auf Bodenfahrzeugen montiert. Zum Beispiel auf Humvees der USA. Dort dienen sie der Kurzstrecken-Kommunikation jenseits der Reichweite der Bodenwelle. Das Militär arbeitet dabei im Frequenzbereich 2 - 10 MHz.

Erstaunt bin ich immer wieder, wie gut meine Omega-Loop auch in SSB im 80m Band spielt. Bei Schweizer-Runden oder Verbindungen ins nahe Ausland ist sie durchaus vergleichbar mit Kurzdipolen oder Kompromissantennen wie der ZL6BKW. Im 80m Band setze ich bei SSB-Betrieb die vollen 200 Watt meines Icom IC-7700 ein. Dies übrigens mit maximaler Kompression, was der Verständlichkeit sehr zugute kommt. Sprachkompression mit einem optimal eingestellten Frequenzgang kann eine Kilowatt-Endstufe wettmachen. Ein Umstand, dem oft nicht genügend Beachtung geschenkt wird.  

Da man - mit einigen Ausnahmen - im Talkessel auf NVIS und Europa-QSO limitiert ist, kann man sich auf die Bänder konzentrieren, die am besten dafür geeignet sind. Also auf 40m und 80m. Dabei sollte man auch das neue 60m Band im Auge zu behalten. Es ist mit seinen drei SSB-Kanälen, dem FT-8 Kanal und den ca. 2.5 kHz, die noch für CW übrig bleiben, zwar winzig klein. Aber es ist ein ausgezeichnetes NVIS-Band für kurze Distanzen von einigen hundert Kilometern. Über NVIS habe ich in diesem Blog schon viel berichtet. Kurz gesagt: Es ist eine Bezeichnung für steil strahlende Verbindungen über die Ionosphäre, mit Distanzen bis ca. 500km. Wichtig dabei ist, dass man die richtige Frequenz auswählt. Also die Frequenz, bei der die Ionosphäre eine steile Einstrahlung noch reflektiert, und dass man dazu auch eine Antenne benutzt, die wie ein Springbrunnen ihre Wellen in den Aether schickt. Dass das nicht im 10m Band funktioniert und dass dazu Vertikalantennen weniger geeignet sind, ist wohl den meisten klar.

In Zeiten des Sonnenfleckenmaximums eignet sich auch das 30m Band für den Funkverkehr aus dem Alpental. Oft steigt die Senkrecht-Grenzfrequenz in der Tagesmitte über 10 MHz. Und natürlich sollte man auch das 160m Band nicht vergessen. Leider passen 160m Wellen und Magnetloop Antennen schlecht zueinander. Die Effizienz der Magnetloop nimmt in Relation zur Wellenlänge in der vierten Potenz ab und die nutzbare Bandbreite genügt nicht mehr für ein SSB-Signal. Doch darüber habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben.     

Nicht nur Alpentalbewohner, sondern auch DXer sollten die Webseite von G4KNO gut studieren. Darin wird der Zusammenhang zwischen Abstrahlwinkel und Sprungdistanz eingehend erläutert und man findet dort auch entsprechende Diagramme. Zudem erklärt die Seite auch, wie man ein Ionogramm interpretiert. Inogramme sind ein ausgezeichnetes Mittel um den Zustand der Ionosphäre einzuschätzen. Während der DXer im flachen Land am Morgen zuerst in den Cluster guckt, schaue ich mir die Ionogramme der europäischen Sonden an. Einige Sonden in der Nähe findet ihr rechts in der Spalte "interessante Links". 

                

Dienstag, 16. April 2024

Funken aus dem Alpental - Teil 1

 

Bild: Dent de Broc 1829m HB/FR-026

Gerade ist mir das neuste HB-Radio ins Haus geflattert. Die Hochglanz-Clubzeitschrift der USKA. Sie platzt fast von den riesengroßen Egos, die einem ins Auge springen. Doch je größer der Glanz, je kleiner der Informationsgehalt. Eine Selbstbeweihräucherung der Extraklasse. Schade, dass die Gazette gedruckt und nicht online daherkommt. Das würde die Entsorgung vereinfachen. Aber vielleicht ist das so eine Art Statussymbol oder ein politisches Ding. Ich kenne mich damit nicht aus.

Vielleicht ist es so wie mit allem, das vor dem Untergang steht. Wie mit den Dinosaurier, die auch immer grösser wurden, bevor sie vom Planeten verschwunden sind. Oder wie mit unseren Automobilen, die sich von den Überresten der Dinosaurierzeit ernähren. Sie werden jedes Jahr immer grösser und passen kaum mehr in eine Parklücke. Auch sie platzen vor  lauter Ego aus allen Nähten. 

Aber eigentlich wollte ich heute nicht über die Entsorgungsprobleme überflüssiger Hochglanzbroschüren schreiben, sondern darüber, wie es mir beim Umzug ins Alpental ergangen ist. Was ich in den zweieinhalb Jahren erlebt und gelernt habe. Hauptsächlich aus radiotechnischer Sicht, versteht sich.

Der Grund für unseren Ortswechsel hat nichts mit dem Amateurfunk zu tun. Da hätte es wesentlich bessere Möglichkeiten gegeben. Andere ziehen des Funkens wegen in den hohen Norden, wo sie Antennen nach Lust und Laune aufstellen und endlich die DX-Verbindungen nachholen können, die sie in ihrem Leben verpasst zu haben glauben. Allerdings sind die Funk-Bedingungen in der Nähe oder oberhalb des Polarkreises auch nicht das Gelbe vom Ei. Anstelle von QRM aus dem Elektronikschrott der Nachbarn, plagt den OM der PCA (Polar Cap Absorption Effect). Da nützt dann die beste Antenne nichts, wie ich auf den Lofoten erleben musste. Im Buch "Propagation and Radio Science" von Eric Nichols KL7AJ werden u.a. auch die Funkbedingungen im hohen Norden gut beschrieben. Es ist nicht nur für Nordlandfunker lesenswert, sondern generell für Funkamateure, die sich für die Ausbreitung von Funkwellen interessieren.


Doch zurück zu den Beweggründen für unseren Umzug ins Alpental: Wer in Rente geht und die Möglichkeiten und Freiheiten hat, sich für seinen letzten Lebensabschnitt ein gutes und schönes Plätzchen zu suchen, sollte es tun. Doch alles kann man nicht haben, und so mussten wir uns zwischen unseren Wunsch-Destinationen entscheiden: den Alpen und dem Mittelmeer. Das Funkhobby hatte nur einen untergeordneten Einfluss auf den Entscheid. Wichtiger sind im Alter Dinge wie Infrastruktur, Gesundheit und Sicherheit. Eine Antenne kann man überall installieren. Das ist bloss eine Frage der Fantasie.

Was den Amateurfunk anbelangt, war ich nie ein grosser DXer oder Contester. Meine Interessen lagen mehr bei Selbstbau, Experimenten und in den Randbereichen des Radiospektrums. Lang- und Mittelwellen einerseits und Mikrowellen andererseits haben mich immer am meisten fasziniert. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zum letzten Mal im klassischen DX-Band, auf 20m gefunkt habe.

An dem Kontakt mit meinen lokalen Funkkollegen war mir allerdings schon gelegen. Denn ich mag anregende technische Diskussionen. Doch wie erreicht man nun seine Funkfreunde, wenn man plötzlich auf der anderen Seite des Berges wohnt? "Natürlich über eine Relaisstation", werdet ihr sagen. Und an denen herrscht in der Schweiz wirklich kein Mangel. Unzählige Repeater dämmern auf Berggipfeln vor sich hin. In allen möglichen Betriebsarten und in allen möglichen Zuständen. Mit dem Internet vernetzt oder als einsame Wölfe. Die hört man auch heulen, wenn man im Alpental sitzt. Dank der guten Reflexion an den umliegenden Felswänden. Hier sind es etwa zwei Dutzend Relais, die ich empfangen kann. Sie sind zwar die meiste Zeit stumm, wie eine taube Nuss und ich frage mich, wer wohl den Strom für diese Geräte bezahlt. Oder für deren Unterhalt verantwortlich ist. Manche sind dermaßen neben der Frequenz, dass wohl kaum jemand vorbeischaut. Man hat sie mal hingesetzt und überlässt sie dem Zahn der Zeit.

Relais-Stationen sind aber nicht meine erste Wahl bei der Funkkommunikation. Das Internet schon gar nicht. Da kann ich gerade so gut das Smartphone oder die Glasfaser im Haus benutzen. Beim Amateurfunk bevorzuge ich die direkte Verbindung von meiner Antenne zur Antenne des Funkpartners oder Funkpartnerin. Trotzdem ist es gut zu wissen, dass da noch ein paar Relais wären, für den Fall der Fälle. 

Deshalb wird mein Handfunkgerät nur selten gebraucht. Für direkte Funkverbindungen über die Berge hinweg braucht es etwas mehr Antennengewinn und Leistung. 

Wie bei den Verbindungen über Relaisstationen setzte ich für Direktverbindungen ins Mittelland zuerst auch auf Reflexionen an den umliegenden Felszacken. Wir sind hier im Alpental quasi umzingelt von SOTA-Bergen. Ein gutes Dutzend dieser infrage kommenden Reflektoren liegen in Reichweite.

Doch bald stellte sich heraus, dass der beste Pfad ins Mittelland nicht über Reflexionen führte, sondern via Beugung (Diffraktion) an einem Hügelzug in nordöstlicher Richtung. Es waren die sanft geschwungenen Hänge der La Berra, die meinen VHF-Wellen einen Kanal öffneten. Interessanterweise direkt in die Bundeshauptstadt Bern. 


 Bild: Die La Berra 1719m HB/FR-028, etwa 6km von meinem Shack entfernt.

Zieht man eine Linie zum Gipfel, trifft sie in ihrer Verlängerung direkt auf Bern. Die Signale sind so gut, dass ich mit Stationen arbeiten kann, die in der Bundeshauptstadt mit dem Handsprechgerät unterwegs sind. Der Kanal ist dabei nicht auf Bern beschränkt und hat eine Streubreite von mehr als 30 Grad. Zwar sind in diese Richtung auch Verbindungen via Reflexionen an "meinen" Felszacken im Südwesten möglich, doch die Signale sind dabei wesentlich schwächer.

Bild: Verbindung Charmey - Bern

Die erwähnte Verbindung mit einem Handfunkgerät in Bern bedingt aber auch einen kräftigen Sender und eine Antenne mit Gewinn auf meiner Seite. Aktuell sind dies 100W aus einem Icom IC-9700 und dieser Antenne mit 10dBi Gewinn. Diese ist übrigens vertikal polarisiert. Aus dem einfachen Grund, weil heute die meisten auf VHF/UHF vertikal unterwegs sind. SSB Verkehr wie er noch in den 80/90er Jahren geläufig war und bei dem horizontale Yagis zum Einsatz kamen, ist selten geworden. Die meisten begnügen sich mit einem so genannten "Blindenstock". Einem weissen Stängel von Diamond. Auch bei den raren SSB-QSO's.

So ein Blindenstock ist übrigens etwas vom Unbrauchbarsten, was man in einer Tallage haben kann. Die Dinger strahlen schön flach - direkt in die Berghänge hinein und heizen bloss die Tannen auf. Elevation ist im Alpental gefragt. Und das nicht im esoterischen Sinn. 

Bei UKW-QSO's ist es wichtig, dass beide Stationen die gleiche Polarisation benutzen. Bei unterschiedlicher Polarisation beträgt die Dämpfung bis zu 20dB. Ein Umstand der heutzutage leider oft vergessen wird. 

Dieser spezielle Kanal vom Alpental nach Bern funktioniert nicht nur im 2m Band. Auch im 70cm und im 23cm Band sind Verbindungen möglich. Unter anderem kann ich die 70cm/23cm Relaisstation auf dem Lindenhofspital in Bern erreichen. Natürlich ebenfalls mit hoher Leistung und mit noch viel mehr Antennengewinn. Die 4m und 6m Wellen jedoch, haben es aber nicht so mit der Diffraktion. Die Signale im tieferen VHF-Bereich sind schwächer. Der Ausbreitungskanal Charmey-Bern scheint im 2m Band am besten zu funktionieren. 

Jenseits dieses speziellen Kanals, sind ebenfalls Stationen aus dem Südwesten zu erreichen. Auf 2m geht es bis hinunter nach Genf und in die angrenzenden französischen Regionen. Dann allerdings wieder per Reflexion. Hauptverantwortlicher Reflektor für diese Verbindungen dürfte der Moleson in 14 km Entfernung sein. Ein gewaltiger Felsklotz, der 2000 Meter hoch am Rand der Voralpen steht. 


Bild: Der Moléson, 2002m, HB/FR-019

Doch Richtung Osten, weiter in die Alpen hinein, wird es schwierig. Bei Verbindungen von einem Alpental ins andere hilft dann doch nur noch ein Relais oder aber die Kurzwelle. Wie es von hier aus auf den KW-Bändern aussieht und wie viel man mit einer bescheidenen Antenne erreichen kann, darüber werde ich in Teil 2 berichten.    

     

      

Freitag, 12. April 2024

Bodengewinn

 

Bild: Die Hochmatt (2152m), ein SOTA-Berg in meiner Nähe.

Es ist Frühling und wie immer sprießen nicht nur die Aprilglocken, auch neue Antennen sprießen wie immer in den Gärten und auf den Terrassen von Funkamateuren. Neben alten Konzepten, die seit Jahrzehnten in Antennen-Büchern rumschwirren, kommt ab und zu auch ein Neuling zum Vorschein.

Dann wird verglichen und gemessen, diskutiert und altes aus den Schubladen der Erinnerung geholt. Genau das will ich heute auch tun. In diesem Blog geht es aber nur vordergründig um die sogenannte Himmelstür. Eine Konstruktion aus Japan, die ich an meinem alten QTH ausprobiert hatte, und die in der Folge kontrovers diskutiert wurde. 

Ich möchte in diesem Blog heute nochmals auf den so genannten Bodengewinn (Ground Gain) hinweisen, der für uns Funker von entscheidender Bedeutung ist. Oft entscheidet er über Erfolg oder Misserfolg einer Antenne an einem bestimmten Standort. Bei Antennenmessungen und Vergleichen wird er jedoch meistens ignoriert.    

Bei horizontal polarisierten Antennen (z.B. Yagis) werden die abgestrahlten Wellen auch vom Boden vor der Antenne reflektiert. Bei einem gewissen Winkel sind beide Wellen in Phase und verstärken sich. Abhängig ist dieser Effekt von der Antennenhöhe/Wellenlänge und dem Terrain in Strahlrichtung. Im VHF/UHF-Bereich kann dieser Zusatzgewinn 5 bis 6 dB ausmachen.
Und das etwa bei einem Abstrahlwinkel von 3 Grad im 2m Band bei 10m Antennenhöhe. Auf 50 MHz sind es bei gleicher Antennenhöhe 9 Grad und im 70cm Band 1 Grad.

Wird die Höhe verdoppelt, halbiert sich der Abstrahlwinkel. Im 2m Band sind es dann noch 1.5 Grad. Allerdings wird dann das Richtdiagramm immer mehr aufgefächert in steilere Nebenkeulen, die immer stärker werden.

OZ1RH zeigt dies am Beispiel einer 2m Yagi mit einem Gewinn von 17.5 dBi im freien Raum.
Ist die Yagi nur 1/2 Wellenlänge, also 1m über Boden montiert, ergibt das nicht einen Bodengewinn, sondern einen Bodenverlust von -1.7dB. Bei 2m Aufbauhöhe hat sie aber schon einen Gewinn von 2.6dB, schielt aber mit 11 Grad ziemlich in die Höhe. Nicht gerade der Idealfall im flachen Land.
In 4m Höhe über Grund steigt der Bodengewinn bereits auf 4.8dB und die Hauptkeule hat noch 7 Grad Elevation. Bei 8m sind es dann 5.4 dB Bodengewinn bei 3.5 Grad.

Sitzt die Yagi inmitten von bebautem Terrain, wird die ganze Sache natürlich etwas unübersichtlich. Der Grundgewinn sinkt, die Fragmentierung der Nebenkeulen geht zurück. Trotzdem ist man gut beraten, den Bodengewinn bei der Errichtung seiner Antennenanlage zu berücksichtigen. Auch auf den kurzen KW-Bändern. Immerhin erhält man da schon 2.6 Gratis-dB, bei einer 10m Yagi auf einem 10m Mast - bei einem günstigen Abstrahlwinkel für DX.
Das gilt aber nur für horizontal polarisierte Antennen. Grundgewinn und Abstrahlwinkel von Vertikalstrahlern sind viel mehr von der Bodenleitfähigkeit abhängig.

Da der Bodengewinn derart variieren kann, sollten sich Gewinnangaben immer auf dBi im Freifeld beziehen - also ohne Berücksichtigung des Bodens. Alles andere ist m.E. irreführend.


Donnerstag, 21. März 2024

QRV auf 630m mit dem Icom IC-7300

 

Links: Variometer zur Anpassung der Vertikalantenne des ehemaligen Mittelwellensenders in Sottens

Der ICOM IC-7300 ist ein weit verbreitetes Gerät. Er war der erste echte SDR, der in grossen Stückzahlen vermarktet wurde. In der Zwischenzeit hat er Konkurrenz bekommen. Vergleichbar ist zum Beispiel der Yaesu FT-710, der in der gleichen Preiskategorie zuhause ist.

Über den Yaesu kann ich nichts sagen, ich habe ihn nie auf dem Stationstisch gehabt. Aber der IC-7300 genügt in den meisten Fällen den Ansprüchen des Durchschnitts-OM mit den bescheidenen Antennen, die die meisten von uns zur Verfügung haben. Nur an sehr grossen Antennen gerät sein A/D-Wandler in den Overflow-Modus. 

Der IC-7300 deckt nicht nur das neue 4m Band ab, er kann noch mehr. Mit einer kleinen Modifikation sendet er u.a. auch in unserem Mittelwellenband von 472 - 479 kHz. Ein Frequenzbereich, der früher vom Schiffsfunk benutzt wurde, als die Telegraphie noch auf den Weltmeeren zuhause war.

Die dazu notwendige Modifikation ist im folgenden Bild zu sehen:


 Die beiden Dioden 416 und 422 müssen entfernt werden. Alle anderen Dioden müssen drin bleiben, bzw. vorhanden sein. Die Dioden müssen nicht unbedingt ausgelötet werden. Man kann sie auch mit einer feinen Schneidzange "ausknipsen". Das Gerät sendet dann von 0.1 bis 74.8 MHz. Also auch im 60m Band und sogar im 137 KHz Langwellenband. Dort jedoch nur mit ca. -10dBm (Leistungsregler auf 100%). Also 100uWatt und einem Signal mit viel zu hohen Nebenwellen (1. Harmonische -15dBm, zweite -5.5dBm!). Ein Filter ist unbedingt notwendig, wenn dieses Signal benutzt, bzw. weiter verstärkt werden soll.

 Auch im 630m Band ist das Signal nicht sauber genug und ein Tiefpassfilter muss unbedingt nachgeschaltet werden. Doch im 630m Band liefert der modifizierte IC-7300 immerhin 10 bis 20 Watt Sendeleistung. 

Ein Tiefpassfilter ist im folgenden Bild zu sehen:


Ich habe es so berechnet, dass man dazu nur einen Kondensatorwert braucht: 10nF. Für den 15nF Wert schaltet man zwei 10nF in Serie und dazu einen 10nF parallel.

Für die Induktivitäten werden Amidon Ringkerne vom Typ T106-2 (rot) benutzt und mit 39 Windungen bewickelt.

Zwar darf man im 630m Band nur mit 1 Watt ERP senden. Aber die meisten Inverted L Antennen, die ein Funkamateur bauen kann, kommen nicht über -20dB Antennengewinn hinaus. Etwas Verstärkung kann also nicht schaden. Im nächsten Bild ist ein 100 Watt Verstärker zu sehen, der mit günstigen MOSFET Schalttransistoren arbeitet:


 Die drei Transistoren werden auf EPCOS/TDK N30 Ringkerne gewickelt. Typ B64290L48X830 zum Beispiel von Mouser. Mouser hat übrigens auch die Transistoren IRFP264PBF an Lager. Der zweite Trafo wird bifilar gewickelt (zwei verdrillte Drähte). Die Ferritperlen auf den Gate-Anschlüssen kann man z.B. mit 3 Windungen auf einen FT37-43 Kern substituieren, sofern man nichts Passendes in der Bastelkiste findet.
Natürlich braucht es nach der Endstufe wiederum ein Tiefpassfilter. Es wird genau gleich aufgebaut wie das erste. Ideal wären Glimmerkondensatoren für die 10nF. Aber gute Folienkondensatoren dürften auch ausreichen. Wenn sie schmelzen oder brennen waren sie zu schwach ;-)

Was uns nun noch fehlt ist neben einer Antennenumschaltung mit zwei 12V Relais, natürlich eine Antenne. Wie man diese bauen kann oder seine Inverted L für Mittelwelle umbaut, habe ich hier beschrieben. Grundsätzlich kann jede 160m Antenne mit einem passenden Tuner oder Variometer auch auf das 472 kHz Band angepasst werden. Sogar meine Magnetloop Antenne funktioniert im Mittelwellenband und ermöglicht WSPR-Verbindungen bis 2000km. Erstaunlich bei einem "Antennengewinn" von ca. -40dB.

Donnerstag, 7. März 2024

Ist die Länge des Koaxialkabels wichtig?

 


"Dumme Frage", werdet ihr sagen. "Natürlich ist sie wichtig. Je länger, desto größer ist die Dämpfung."

Doch abgesehen von der Länge wird manchmal noch ein anderer Grund aufgeführt. Man müsse darauf achten, dass das Kabel 1/4, 5/8, 1/2 Lambda oder eine andere spezifische Länge habe, damit das SWR gut sei.

Doch in den meisten Fällen muss man nicht auf eine spezifische Länge des Koaxialkabels achten. Die Länge bleibt nämlich dann ohne Einfluss auf das SWR, wenn die Impedanzen stimmen. Das heisst: 50 Ohm vom Senderausgang bis zum Speisepunkt der Antenne. 

Wirkt jedoch das Koaxialkabel oder ein Teil davon ebenfalls als Antenne oder verzichtet man auf eine Mantelwellensperre, kann einem das SWR-Meter ein falsches Stehwellenverhältnis vorgaukeln - je nach dem Ort, an dem es eingeschleift wird.

Aber auch dann, wenn vom Sender bis zur Antenne alles seine 50 Ohm Impedanz hat, hat die Kabellänge auf das SWR - gemessen am Senderausgang - einen Einfluss. Aber nicht wegen 1/4, 5/8, 1/2 oder sonst was. Sondern wegen der Dämpfung des Koaxialkabels. Je größer diese ist, desto besser wird das SWR am Senderausgang. Ein langes RG-58 verschönert also das SWR und gaukelt dem Funker ein falsches Bild vor. 

Darum sollte das SWR am Einspeisepunkt der Antenne gemessen werden, wenn man die "Wahrheit" kennen will. Bei einem Tuner am Speisepunkt vor dem Tuner! Denn das SWR-Meter hat 50 Ohm Ein- und Ausgänge.

Hier auf dieser CB-Funk Seite werden diese Zusammenhänge erklärt. Man findet auch eine Tabelle mit den Dämpfungswerten der handelsüblichen Koaxialkabel.   

Donnerstag, 29. Februar 2024

Eine Magnetloop Antenne für 70$

 


Auf Aliexpress und Konsorten wird seit einiger Zeit eine portable Magnetloop Antenne angeboten. Inklusive Dreibeinstativ und Kabel kostet das Teil zwischen 70 und 90 Franken. Die Antenne ist auch meinen Funkfreunden in Kassel nicht entgangen, und man wollte wissen, was ich dazu zu sagen hätte.

Diese kleine Magnetloop zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine zusätzliche Speiseloop benutzt und eine Abstimmbox mit zwei Drehknöpfen besitzt, die in einer Kunststoffbox am Fusspunkt der Antenne sitzt. Das Speisekabel wird direkt an diese Box angeschlossen.

Eine solche Antenne, die es in verschiedenen Variationen gibt, ist hier zu sehen.

Diese Art Magnetloop Antenne ist nicht neu. Schon 2011 hat PD7MAA eine derartige Antenne gebaut und auf seiner Homepage darüber berichtet. Er nennt sie die Travelloop.  

In der Folge hat dann G8ODE diese Antenne, bzw. die Abstimmbox weiter entwickelt. Er nennt das Teil QRP-LOOP-TUNER. Hier findet man seinen Bericht inklusive Schema.

Und so kam es wie es mit vielem geht, was clevere Ingenieure und Tüftler im Westen erfinden: irgendwann wandert die Idee nach China und wird dort "repliziert".

Doch die Travelloop und ihre "Derivate" haben eine wesentlich ältere Geschichte. Genauso wie die Magnetloop Antenne, die zu den Urgesteinen der Antennen gehört. Diese Art Magnetloop wurde von Kenneth H. Patterson für die US Army entwickelt. Publiziert wurde sie sodann 1967 in "ELECTRONICS", wie hier nachzulesen ist.  

Nun, die Army Loop war im Vergleich zu den heutigen Loops ein recht grosses Teil. Mit dem Vorteil eines grösseren Strahlungswiderstandes. Deshalb konnte auch ein dünneres Kabel, bzw. ein Draht verwendet werden. Über diese Zusammenhänge und die entsprechenden mathematischen Formeln habe ich hier in diesem Blog geschrieben.  Oder hier, ganz ohne Formeln, darüber worauf es bei Magnetloop Antennen wirklich ankommt.

Nun, bis hierher bin ich der Frage ausgewichen, was ich von diesem Klon halte.  Um ein Urteil abzugeben, müsste ich nämlich das Teil kaufen, messen und auseinandernehmen. Dazu habe ich jedoch keine Lust. Bei meinem nächsten Portabel-Einsatz wird bestimmt wieder ein Baum in der Nähe oder eine Angelrute zur Hand sein, um einen Draht aufzuspannen.

Außerdem gibt es heutzutage jede Menge Clowns, die über jeden Mückenschiss ein Youtube Video produzieren. Da findet man bestimmt einen wertvollen Erfahrungsbericht über diese Antenne. Wie zum Beispiel hier:




Dienstag, 13. Februar 2024

Die Schattenseite von FT-8

 


Eigentlich gibt es im Westen nichts Neues. Neue Geräte, die erwähnenswert wären sind nirgends in Sicht und die Funkbedingungen könnten nicht besser sein. Amateurfunkblogger stecken deshalb in einem Winterloch. Es gibt nichts zu berichten.  

Trotzdem sollte man zwischendurch mal das Blog füllen und damit seinen Lesern ein Lebenszeichen senden.

Über die Vorteile von FT-8 habe ich ja bereits ausführlich berichtet und die Beliebtheit dieser Betriebsart ist ungebrochen. Doch in der Zwischenzeit ist mir eine Schattenseite der beliebtesten Spielart unseres Hobbys aufgefallen. Zwar möchte ich den Spass daran keinem vergraulen. Doch mir scheint, FT-8 mache ihre Benutzer etwas träge, wenn sie sich ausschließlich darauf konzentrieren. Vergleichbar mit einem Übergenuss von Fernsehen. 

Wieso denn das?

Es liegt m.E.  an der fehlenden operativen und intellektuellen Herausforderung. FT-8 ist für den OP quasi leistungslos. Ist der PC mal angeschlossen und eingerichtet, läuft alles wie geschmiert, um nicht zu sagen wie von selbst. Während man sich mit den Kollegen über Relaisfunk unterhält, arbeitet der Computer ein DX nach dem anderen. Sogar ein Erstklässler könnte FT-8 QSO's fahren. Keiner würde es merken. 

Dabei könnte unser Hobby sehr anspruchsvoll sein und unser Gehirn beschäftigen. Was besonders im Pensionsalter wichtig ist. Wenn man den Gehirnkasten nicht braucht, verkümmert er und endet im schlimmsten Fall sogar in der Altersdemenz. Amateurfunk ist eine gute Medizin dagegen. Ich denke dabei u.a. an den Selbstbau von Geräten und Antennen, an anspruchsvollere Betriebsarten wie CW und ans Lernen und Einsetzen von Fremdsprachen. In unserem Hobby gibt es jeden Tag Neues zu entdecken und zu lernen. 

Vielleicht könnte ein Blick in ein älteres Amateurfunkbuch etwas Inspiration und Motivation bieten. Wer nichts Passendes im Büchergestell stehen hat, findet hier frei herunterladbare Exemplare von früheren Jahrgängen des ARRL HANDBOOK der American Radio Relay League ARRL

Auch das Gegenstück des RSGB findet man im internet zum Download. Das RADIO COMMUNICATION HANDBOOK. Die beiden Bücher gehören zu den Standardwerken der Amateurfunkliteratur und gehören meines Erachtens in jede Funkbude. Am besten natürlich in einer aktuellen Ausgabe.

Viele von uns warten gespannt auf die nächste Es Saison, um auf 6m und auf dem neuen 4m Band zu funken. K5ND hat sein Buch MAGIC BAND REVEALED zum kostenlosen Download freigegeben. Vielleicht könnte man sich darin vertiefen während der PC mit FT-8 DX arbeitet?  


   


Montag, 22. Januar 2024

Gib mir ein Googol und ich hebe das Universum aus den Angeln

 


Mein "Hausberg" HB/FR-028 ca. 6 km Luftlinie vom Shack entfernt.

Im letzten Jahrhundert hatten Amateurfunk-Geräte einen Abstimmknopf mit einer mechanischen Untersetzung. Der VFO (Variable Frequency Oscillator) arbeitete analog, kontinuierlich und ohne Abstimmschritte. Abgestimmt wurde mit einem Drehkondensator oder einem Ferritkern der in eine Spule geschoben wurde.

Heutzutage braucht es natürlich kein Untersetzungsgetriebe mehr. Hinter dem Abstimmknopf befindet sich ein Encoder, der den Frequenz-Synthesizer steuert. Nur noch unverbesserliche Bastler brauchen noch Untersetzungsgetriebe. Oft sind das Planetengetriebe mit Friktionsantrieb - also ohne Zahnräder.  Wie so ein Getriebe funktioniert, können wir hier beobachten:


 Ein analoger VFO braucht natürlich eine Skala wie hier im Kenwood TS-520, und zum Beginn war die natürlich auch mechanischer Natur. Später koppelte man eine digitale Frequenzanzeige an den VFO wie hier im Yaesu FT-102. Oder verwendete gleich beide Anzeigearten wie hier im Kenwood TS-130S. Das erleichterte den OM die Umgewöhnung von der analogen auf die digitaler Anzeige.

Die Abstimmung war jedoch bequemer als heute. Je schneller man den Knopf drehte, desto rascher kurbelte man übers Band. Man brauchte nicht extra einen Schnellgang-Knopf zu drücken oder die Schrittweite des Encoders auszuwählen.

Mechanische Untersetzungen braucht es zwar in den heutigen Transceivern nicht mehr. Sie sind aber in der Technik nach wie vor weit verbreitet. Die bisher größte Untersetzung, die mir begegnet ist, ist eine Googol-Untersetzung. Googol und nicht etwa Google. Doch zwischen den beiden Begriffen besteht sehr wohl ein Zusammenhang. Die berühmte Suchmaschine hat ihren Namen nämlich vom Googol.

Doch was ist ein Googol?

Ein GOOGOL ist eine unvorstellbar hohe Zahl. Eine Eins mit hundert Nullen. Oder einfacher und ohne so viele Nullen schreiben zu müssen: 10 hoch hundert.

Obwohl normale Menschen, Taschenrechner und Computer mit einem Googol nichts Gescheites anfangen können, haben ein paar Verrückte die Sache noch weiter getrieben: Sie haben den Googolplex erfunden. Das ist 10 hoch Googol. Natürlich kamen dann noch weitere Spassvögel und haben noch höhere und nutzlosere Potenztürme gebaut. Googolplexplexplex zum Beispiel.

Das Googol fasziniert nicht nur Mathematiker sondern auch technikaffine Menschen. So hat u.a. Daniel de Bruin eine Untersetzung gebaut mit einem Verhältnis von Googol:1


Damit sich das letzte Rad dieser Maschine einmal dreht, muss sich das erste Rad 1 Googol mal gedreht haben. Da dürfte der gute Daniel sehr lange drehen, bis es soweit kommt. 

Der Motor, den er bei seiner Googol-Untersetzung im Video eingespannt hat, braucht ca. 3.5 Sekunden für eine Umdrehung. Damit braucht das fünfte Rad etwa 10 Stunden, um sich einmal zu drehen. In einem Monat wird das siebte Rad eine Umdrehung geschafft haben und das achte Rad braucht dazu mehr als ein Jahr. Während der Lebenszeit von Daniel wird das zehnte Rad keine Umdrehung zustande bringen und auch wenn er sein restliches Leben mit der Beobachtung dieser Untersetzung verbringt, wird er bei den weiteren Rädern keine Bewegung feststellen können. Vielleicht is es ja ein Trost: aber wenn sich das letzte Rad bewegen würde, wäre unsere Universum schon längst Geschichte. Und wenn es doch noch existieren würde, könnte das letzte Rad mit seinem Drehmoment das ganz Universum aus den Angeln heben.  

"Gib mir einen Hebel, der lang genug ist, und ich hebe die Erde aus den Angeln", soll Archimedes gesagt haben. Heute sagt man: "Gib mir ein Googol und ich hebe das Universum aus den Angeln."

Na ja, man muss ja nicht immer sinnvolles Basteln. Ich verbuche das unter technische Kunst. 

Eine ganz andere Art von technischer Kunst hat Gislain Benoit geschaffen. Auch sein Kunstwerk hat mit der Zeit zu tun. Sie ist zudem auch ein technisches Altertum wie das Planetengetriebe in unserem analogen Funkgerät. Gislain hat eine Uhr gebaut, die auf integrierte Schaltungen (IC) ganz verzichtet. Ein Kunstwerk, das er schlicht und einfach "The Clock" nennt. Alle logischen Schaltkreise der Uhr  sind nur mit Dioden, Transistoren und Widerständen aufgebaut.

  

Donnerstag, 11. Januar 2024

Was ist mit MUS passiert?

 

Mein erster Alpental-Transceiver. Inzwischen bin ich an Nummer 4. Es hat für mich was Meditaves, immer wieder QRP-Geräte zu basteln.


Viele Jahre habe ich die Morseübungssendung, MUS genannt, des Helvetia Telegraphie Clubs gehört. Jeweils am Montag Abend um sieben Uhr Lokalzeit. Auf 3569 kHz, dann auf 3570.5 kHz. Die Übungstexte wurden dort im Tempo 60, 80, 100, 120 und 140 BpM gesendet und am Schluss fand dann jeweils ein Bestätigungsverkehr statt. 

Die Texte, soweit es den Klartext anbelangt waren oft herausfordernd, lassen sich doch in der deutschen Sprache die verrücktesten Schlangenwörter bilden. Zwar wird kaum ein Telegrafist auf die Idee kommen Schlangenlinienkontrollinstrument oder Spannungsabfallmesszange zu morsen. Im echten Klartext-QSO hält man die Sprache einfach und hält die Wörter kurz. Doch amüsant war es allemal. 

Ein lustiger Klub. Eine Zeit lang dachte ich daran, diesem Verein beizutreten. Aber ich konnte keinen relevanten Mehrwert für mich entdecken und so liess ich es bleiben. Einzig diese MUS, die hatte es mir angetan. Für die hätte ich sicher einige Franken spendiert.

Nun ist die MUS weg. Das heisst: seit einiger Zeit kann ich sie nicht mehr hören. Vielleicht ist sie jetzt anderswo im Nirgendwo des Aethers. Doch auf der Homepage des Clubs war sie gestern  noch terminiert wie eh und je. Kein Hinweis über ihr Verbleiben.

Wenn ich an die MUS im letzten Jahr denke, fällt mir aber auf, dass sich das Verschwinden  der MUS irgendwie angekündigt hat. Es fing damit an, dass plötzlich ein Morsezeichen verwendet wurde, das ich für ausgestorben hielt. Nein, nicht etwa die Umlaute ä, ö und ü, das hätte ich noch verstanden. Es war das CH, das plötzlich aus dem Nichts auftauchte: vier Striche. Eine echte Herausforderung, wie ihr euch vorstellen könnt. "Ich" wurde nun zu  ".. ----" 

Bei Tempo 60 geht das ja noch. Man hat genügend Zeit, zu überlegen. Aber bei 120 begann sich das Gehirn zu verknoten.

Dann kam die MUS immer unregelmäßiger daher. Manchmal verspätet, manchmal gar nicht. Nur das CH blieb. Im Nachhinein muss ich aber sagen: "Das CH fehlt mir. Gut, dass ich eins auf dem Auto hab."

Doch das Verschwinden der MUS ist nicht das Ende der Morsetelegraphie, wie sie oft prophezeit wird. Das ist Wunschdenken der Morseanalphabeten. 

Und an Morsevereinen besteht auch kein Mangel. Der exklusivste von allen ist übrigens der FOC, der First Class CW Operators Club. Er wurde 1833 gegründet und die Anzahl Mitglieder wurde damals auf 100 limitiert. Nun sind es 500. Mehr nimmt der FOC nicht auf. In diese Crème de la Crème aufgenommen zu werden, ist aber ohnehin nicht einfach. Man muss nicht nur perfekt in Tempo 25 WpM telegraphieren können, man braucht auch Empfehlungen von anderen FOC-Mitgliedern. Davon mindestens einem aus dem UK. 

Es kann ja auch nicht jeder beim WEF in Davos oder bei den Bilderbergern mitmachen. Wo kämen wir da hin.

Doch für die, die es nicht in den FOC schaffen, gibt es eine Alternative: Das ist der SOC, der Second Class Operators Club. Wenn schon nicht First, dann mindestens Second. Ja, manchmal ist es sogar besser, im zweiten Glied zu stehen. Nicht nur beim Morsen.

Was mich betrifft, so bin ich Mitglied beim FISTS CW Club. "The Fists", das sind die Fäuste, ein Hinweis darauf, dass hier vor allem Handtasten zum Einsatz kommen. Wie könnte es anders sein: Auch dieser Club wurde von einem Engländer gegründet. Der Club hat über 20'000 Mitglieder und ein interessantes Clubmagazin. Eine Spezialität des FISTS sind die "Leitern". Conteste, bei denen einfach ganz normale CW QSO's gefahren werden. Ohne telegrafische Hast.

Beim SKCC bin ich ebenfalls dabei. Mehr per Zufall, denn Absicht. Dort geht es auch um CW mit der Handtaste und dem Bug, wie schon der Name sagt: Straight Key Century Club. Ein jüngerer CW Club, erst 2006 von US-Amerikanern gegründet. Sie haben im SKCC eine hierarchische Struktur geschaffen, in der man aufsteigen und Titel, Auszeichnungen und Diplome bekommen kann. Auch hier braucht's keine Aufnahmeprüfung und keine Empfehlungen. Die Mitgliedschaft ist kostenlos. Auch dieser Club hat mehr als 20'000 Mitglieder. 

Wer weiss, vielleicht gründe ich zur Abwechslung auch mal einen Club. Zum Beispiel Den AOC, den Alpental Operators Club ;-) 

   

Mittwoch, 10. Januar 2024

Eine Ferritantenne für Längstwellen

 

Wolkentraumstadt. Ein Bild, das mir eine KI nach meinen Angaben erstellt hat.
Die Frage ist:Wer ist nun der Künstler und wer der Besitzer?


Der Alexandersson Sender in Grimeton wird bald 100 Jahre alt. Da werden sicher Spezial-Events auf dem Programm stehen und auch einige Sendungen auf 17.2 kHz.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, eine neue Antenne für den Empfang von SAQ zu bauen. Und da ich schon mal dabei war, habe ich diese Ferritantenne für den ganzen Längstwellenbereich abstimmbar gemacht. 

Ihr wisst ja sicher, wie das mit den Frequenzbereichen gehandhabt wird. Sie erstrecken sich immer über eine Dekade:

Kurzwelle von 3 bis 30MHz

Mittelwelle von 300 kHz bis 3 MHz

Langwelle von 30 bis 300 kHz 

Und die Längstwelle wo Grimeton zuhause ist von 3 bis 30 kHz.

Ich dachte mir, es wäre sicher interessant, zu hören, wer sonst noch in diesem Bereich wohnt. Wie bei meiner bisherigen Grimeton-Empfangsantennen, habe ich wieder auf eine resonante Ferritantenne gesetzt. Und da bei der letzten SAQ-Sendung das Signal recht schwach war, soll die neue Antenne mehr Wellen aus dem Aether einfangen können.

So eine Ferritantenne wirkt ja wie ein Staubsauger für die Magnetlinien der elektromagnetischen Wellen. Der Stab zieht sie quasi an und leitet viel mehr von ihnen durch seine Spule als wenn diese stablos wäre.

Um den "Rohr" dieses Staub- bzw. Magnetlinien- Saugers zu vergrößern, habe ich nicht nur einen Ferritstab benutzt, sondern ein Bündel mit 5 Stück. Das heisst alle alten Ferritstäbe, die ich während meiner Bastelkarriere aus alten Radios gesammelt habe und die meinen Umzug ins Alpental überlebten.

Damit wurde natürlich auch die Spule grösser und ich habe für sie die Hälfte meines Vorrats an 0.2mm Cu-Lackdraht aufgebraucht. Etwa 800 Windungen waren nötig, bis ich eine Induktivität von 60mH erreichte. 



Als Abstimmkondensator wurde ein Rundfunk-Drehko parallel hinzugeschaltet. All seine Sektoren brachten zusammen etwa 1300 pF "auf die Wage". Etwas zu wenig, um bei 17,2 kHz Resonanz zu erreichen, wie ihr hier ausrechnen könnt.

Doch das ist kein Problem. Man kann ja nach Belieben zusätzliche Fixkondensatoren hinzuschalten.  Genau das habe ich getan. Und da ich nicht nur 17.2 KHz sondern den ganzen Bereich der Längstwellen empfangen wollte, musste ich eine ganze Batterie von Zusatzkondensatoren hinzuschalten.

Mehr als vierzig Festkondensatoren mit einem riesigen Monster-Drehschalter zu schalten, kam natürlich nicht in Frage. Monster gibt es in meinem Fundus nur wenige und schon gar nicht in Wellenschalter-Form. 

Daher habe ich für die Längstwellen-Antenne einen binären Kondensator gebaut. Also ganz entgegen meiner Gewohnheit etwas Digitales. Doch digitale Apparate steuert man in der Regel mit einem Mikroprozessor, wie wir wissen. Das wäre etwas zuviel gewesen für dieses Sonntagnachmittag-Projekt.

Doch da habe ich mich daran erinnert, dass ich ja einen Prozessor in meinem Hirnkasten habe. Und die Software auch gleich dazu. Obschon beide in den letzten Jahrzehnten etwas gelitten haben.

Mit dem binären Kondensator schalte ich per Kippschalter 5 Werte hinzu: 1nF, 2nF, 4nF, 8nF, 16nF. Damit kann ich jeden beliebigen Wert in 1nF-Schritten zwischen 0 und 31 nF parallel zum Abstimm-Drehko schalten, und mit diesem den Bereich von ca. 3.5 kHz bis etwa 45 kHz abstimmen. 

Als Impedanzwandler und Verstärker habe ich die gleiche Schaltung benutzt wie bei meiner Ferritantenne, die ich hier beschrieben habe. 


 Die Antenne ist sehr empfindlich und liefert wesentlich stärkere Signale als meine bisherige Ferritantenne. Sie ist auch extrem Trennscharf (hohe Kreisgüte). "But the proof of the pudding is in the eating". Erst bei der nächsten SAQ-Sendung werde ich wirklich hören, was die Neue bringt. Ob nur mehr Noise oder ein stärkeres SAQ-Signal. Bis dann erholt sich das neue Teil in meinem Schrank von der Hitze des Lötens und der Ungemach des Klebens.

Montag, 8. Januar 2024

Bodenwelle und Raumwelle

 

"Was passiert mit den Kurzwellen beim Ausfall der Ionosphäre? Kann man - z.B. im 80m Band - die Bodenwelle nutzen, um zu funken? Was auf 2m möglich ist, sollte doch auch auf Kurzwelle funktionieren?"

Wie so oft heisst die Antwort auch hier: "Es kommt darauf an." Oder in Politiksprech: "Man muss das im Kontext sehen."

Dieser Kontext sieht so aus: nutzbare Bodenwellen existieren nur im Lang- Mittel- und Kurzwellenbereich. Bodenwellen sind Oberflächenwellen. Sie brauchen die Nähe des Bodens und breiten sich entlang der Erdoberfläche aus. Je länger die Wellen, desto weiter. Darauf setzt der Rundfunk auf Lang und Mittelwelle. Die Bodenwelle garantiert eine stabile und sichere drahtlose Verbindung in diesen Wellenbereichen. Die Ionosphäre wird dazu nicht gebraucht. Im Gegenteil: Sie stört nur, wenn sie nachts die Wellen reflektiert und QSB verursacht.

Auf UKW ist es anders. Es gibt keine relevante Bodenwelle. Wir nutzen im 2m Band die Raumwelle.

Im VHF/UHF und Mikrowellen Bereich nützen wir die Raumwelle, weil die Reichweite der Bodenwelle viel zu kurz ist. Ultrakurze Wellen lieben es nicht, dem Erdboden entlang zu kriechen. Ihnen geht rasch die Puste aus. Doch wenn unsere Antenne die der Gegenstation sehen kann, dann funktioniert es. Sichtverbindung nennt man das. Dann funken wir mit der Raumwelle, die sich nicht um den Erdboden schert. Mit Milliwatt über Hunderte von Kilometern. 

Sofern keine Hindernisse im Wege stehen wie oben im Bild. Doch so krass muss es nicht sein. Es reicht bereits, dass Hindernisse in die Nähe der Sichtlinie kommen, um die Wellen zu dämpfen. Denn unsere Funkwellen breiten sich nicht als Strich in der Landschaft aus. Unsere Wellen beanspruchen mehr Platz. 

Dieser Raumanspruch wird Fresnelzone genannt. Man kann sich diese als Ellipsoid vorstellen (ähnlich wie ein Zeppelin), durch dessen Längsachse unser Sichtstrahl führt. Alle Hindernisse, die in die Fresnelzone hineinragen, dämpfen die Wellen. 

  

Bild von Jcmcclurg - FresnelSVG.svg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22193531

Doch zurück zur Kurzwelle: Die Fresnelzone gilt natürlich auch für die Kurzwelle und hier sind ihre Auswirkungen gravierend. Die Dicke des Zeppelins vergrössert sich nämlich mit der Wellenlänge. Bereits im 40m Band ist die Fresnelzone so dick, dass die Wellen schon kurz nach der Antenne mit dem Erdboden "kollidieren" und somit in die Fresnelzone kommen. Wenn unsere 40m Welle nicht hinauf zur Ionosphäre eilen würde, um dort reflektiert zu werden, würde sich die Raumwelle innert kurzer Distanz in der Fresnelzone zu Tode laufen. 

Die Kurzwelle in der gleichen Art wie auf UKW für Sichtverbindungen zu nutzen, funktioniert höchstens im 10m/11m Band. Im Übergangsbereich zwischen Kurzwelle und VHF.

Auf den längeren Kurzwellen muss die Bodenwelle ran, wenn die Ionosphäre nicht im Spiel ist. Allerdings nur unter einer Bedingung: Die Antenne muss vertikal polarisiert sein. Horizontal polarisierte Wellen erzeugen keine relevante Bodenwelle.

Sichtverbindungen über die Raumwelle funktionieren auf Kurzwelle schlecht. Unsere Antennen sind zu niedrig und die Fresnelzone "versinkt" bereits im Erdboden vor der Antenne. Wie ein abgestürzter Zeppelin.

Das ist natürlich eine verzwickte Sache. Die meisten Amateurfunkantennen für 40, 80 und 160m sind horizontal polarisiert. Sie strahlen zwar ihre Wellen in den Himmel über unserer Station. Aber wenn die Ionosphäre nicht da ist, um sie zu reflektieren, nützt das nichts. 

Schauen wir doch einmal, wie das in der Praxis aussieht. Mit diesem Diagramm können wir die Reichweite der Bodenwelle für das 40m Band abschätzen. 

Wie wir sehen, schafft die 40m Welle eines 100 Watt Senders noch ca. 30km mit einem S9 Signal. Schlechtes Terrain  reduziert die Reichweite zusätzlich (schlechte Bodenleitfähigkeit, stark bebautes oder zerklüftetes Gelände). Wenn die MUF (100km) über 7MHz liegt und die Ionosphäre auf diese Distanz auch mitspielt, wird es kompliziert: Beim Empfänger kommen dann beide Wellen zusammen an, addieren oder subtrahieren sich. Das führt dann zu starkem QSB.

Doch wie bereits erwähnt, funktioniert das nur mit vertikaler Polarisation. Unsere horizontalen Drähte produzieren hauptsächlich horizontale Polarisation und nur einen Restposten an vertikaler. 

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Kurven der ITU für die Bodenwellen von 10kHz bis 30 MHz. Diese Kurven gibt es für Meer- und Süsswasser und Böden mit unterschiedlicher Bodenleitfähigkeit. Man findet das Dokument hier.   Die Diagramme sind sehr interessant und zeigen die Auswirkung der verschiedenen Oberflächen auf die Reichweite der Bodenwelle. Damit man etwas mit den angegebenen uV/m anfangen kann, ist es gut zu wissen, dass S9 (50uV) 22 uV/m entsprechen.

Das 40m Band ist mehr ein Europa (tagsüber) und DX Band (nachts) und wird weniger für Verbindungen über kurze Distanzen benutzt. Da sind 80m und vor allem 160m schon eher geeignet. In diesem Diagramm hier sehen wir, wie weit die Bodenwelle im 160m Band reicht.

Das sieht doch schon besser aus, nicht war? Die Bodenwelle eines 100 Watt Signal kann über 100km zurücklegen, um noch ein S9 Signal zu erzeugen. Vorausgesetzt, die Antennen sind vertikal und strahlen die volle Leistung ab. 

Doch mit den 160m Antennengebilden des "Normal-Amateurs" ist das nicht zu schaffen. Schon wegen der geringen Effizienz und der hauptsächlich horizontalen Polarisation würde ich schätzungsweise 20 bis 30 dB abziehen. So um die 30 km+könnte für die Bodenwelle dann noch drin liegen. Mit einem verkürzten, niedrig hängenden Inverted V Dipol zum Beispiel. Eine Inverted L-Antenne dürfte aber besser abschneiden, da der Vertikalteil der Antenne mehr vertikal polarisierte Wellen erzeugt. Das gilt für unser Hügel- und Bergland. Wer an der Küste wohnt erlebt die "Funkwelt" anders.

Die Diagramme für 40 und 80m stammen von der Webseite von VU2NSB. Dort könnt ihr noch viel mehr über Wellenausbreitung erfahren. Es lohnt sich, diese Seiten zu studieren. Wenn man lieber Deutsch liest - kein Problem. Google übersetzt die Seiten mit einem Mausklick (Rechte Maustaste> Übersetzen auf Deutsch).

Über die Bodenwelle habe ich schon an anderer Stelle geschrieben. Zum Beispiel hier.

Wir Amateure bringen - im Gegensatz zu den Profis - manchmal Dinge durcheinander. Auch die Begriffe Boden- und Raumwelle. Im Englischen ist es noch schlimmer: Von Surface and Ground-wave wird geschrieben. VU2NSB versucht auf seiner Web-Seite dieses Gewirr etwas zu entwirren. Daher zum Schluss nochmals zusammengefasst:

Bodenwellen kriechen dem Erdboden entlang und interagieren mit diesem. Sie sind vertikal polarisiert. Je grösser die Wellenlänge, desto grösser die Reichweite. Auf 144 MHz und höher ist die Reichweite unbedeutend klein.

Raumwellen strahlen in den Raum und folgen den Gesetzen der Optik (Diffraktion, Refraktion, Reflexion, Fresnelzone). Auf UKW erreichen wir damit den nächsten Berggipfel. Auf Kurzwelle erreicheit die Raumwelle die Ionosphäre, aber die ausgedehnte Fresnelzone behindert die direkte Übertragung von Antenne zu Antenne über Land. Da muss die Bodenwelle ran.    

    

Freitag, 5. Januar 2024

2024 sidavouq

 


Gerade fällt mir auf, dass meine Schreibfrequenz abnimmt. Im Dezember habe ich nur zwei Blogeinträge geschrieben. Ich bin also im QRS-Mode. Doch im Moment gibt es nicht viel Neues. Es warten keine neuen Projekte auf mich, und Projekte, die auf mich warten, gibt es schon längst nicht mehr. Glücklicherweise. Es dünkt mich, ich habe schon alles gebastelt, was mir eingefallen ist und für mich machbar war. Meine Ausrüstung ist komplett, die Pipeline leer. 

Auch in den anderen Amateurfunkblogs herrscht Ebbe. Dass das Sonnenfleckenmaximum vor der Tür steht und dass die meisten Funkverbindungen auf ein paar FT-8 Kanäle, Conteste und Expeditions-Pileups beschränkt sind, wissen die meisten. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass beim Amateurfunk die Luft draussen ist. Aber vielleicht entstammen diese trüben Gedanken beim Beobachten des Zustandes unserer Welt. Ich fürchte, 2024 wird uns nicht nur ein Maximum von Sonnenflecken bescheren, sondern auch ein Maximum an menschlichen Katastrophen. Dabei würden uns die natürlichen Katastrophen schon reichen.  

An der Gerätefront ist auch nichts los. Die "grossen" Hersteller haben ihren Innovations-Rhythmus verlängert. Das zeigt schon ein Blick auf diese Liste hier. Das ist eine Liste aller Geräte, die Rob Sherwood in seiner langen Karriere gemessen hat. Da sind alle wichtigen Amateurfunktransceiver seit den Sechzigerjahren dabei. Ich denke, die meisten von euch kennen diese Hitliste der besten Empfänger.

Für alle anderen: Rob Sherwood ist nicht nur ein ausgezeichneter Ingenieur, er ist auch ein angefressener CW Contester. Er scheint den Klang der Telegrafie-Signale zu lieben, die nur wenige hundert Hertz nebeneinander um die Wette eifern. Da ist neben der Selektivität des Empfängers auch sein Dynamikabstand entscheidend. Wie gut kann ein Empfänger nahe beieinander liegende Signale verarbeiten, ohne Wellensalat zu produzieren? Und genau nach diesem Kriterium hat Rob seine Hitliste sortiert. An der Spitze stehen die Geräte mit dem größten Dynamikbereich bei 2 kHz Signalabstand.

Hier ist sie, die berühmt, berüchtigte Sherwood List.

Auch die Hersteller kennen diese Liste. Und selbstverständlich entwickeln sie ihre Transceiver so, dass sie möglichst weit oben in Rob Sherwoods Liste figurieren. Möglichst auf dem Podest. Gold, Silber, oder Bronze. Mindestens. Dabei ist die Technik ziemlich ausgereizt. Die obersten 20 Transceiver auf der Liste dürften auch den anspruchsvollsten Funkern genügen. Die meisten von uns würden im täglichen Funkbetrieb kaum Unterschiede zwischen den Modellen ausmachen können.  

Rob Sherwood misst aber nur, was er messen kann. Die Zuverlässigkeit (MTBF) gehört leider nicht dazu. Auch kein Preis/Leistungsverhältnis. Wie sollte man dies auch definieren? 

Leider hat Rob einen Wert nicht gemessen, den er durchaus hätte messen können: Wie gut sind die Sender der Transceiver? Wie breit sind ihre Signale, wieviel Splatter produzieren sie? Kurz: Wie gross ist der Intermodulationsabstand der Sender. Was nützt der beste Empfänger, wenn der Sender schlecht ist? Dass "weiche" Faktoren wie Bedienbarkeit und Design auch nicht Bestandteil dieser Liste sind, ist klar. 

Dafür eignet sich aber eine andere Liste. Nämlich die Review Liste von Eham.net. Dort findet die Zufriedenheit der Benutzer ihren Niederschlag. Es lohnt sich, die Kommentare zu seinem Wunschgerät zu studieren, bevor man sich in Kosten stürzt. Auch wenn es sich nicht um einen 5k$ Transceiver, sondern nur um ein kleines Zubehör zur Station handelt. 

Doch die Kommentare sollten immer im Kontext gelesen werden. Handelt es sich um einen enttäuschten Kunden, der ein Montagsgerät erwischt hat oder vom Kundenservice genervt war? Ist es ein Jubelkommentar eines Newcomers, oder eines OM's der nach 50 Jahren von einem Kenwood TS-500 auf ein Icom-7610 umgestiegen ist? Zu berücksichtigen ist auch die Entwicklungsgeschichte eines Apparats. Wurde das Gerät beim Kunden fertig entwickelt und erfuhr es deshalb ein Hardware-Upgrade? Musste zum Beispiel die Endstufe nachgebessert und mit anderen Transistoren bestückt werden, damit sie nicht so häufig kaputt ging? Wie zum Beispiel beim ICOM-7700?

Solche Ereignisse schlagen sich natürlich in den Kommentaren nieder und lasten auf der Beurteilung. Bis in alle Ewigkeit. Altlasten, die die Early Birds bezahlt haben. Doch Vorsicht bei Gebrauchten: Ist das Gerät schon ein nachgebessertes? So oder so gilt beim Occasionskauf äußerste Vorsicht. Zwar sind Amateurfunkgeräte erstaunlich langlebig. Doch ihre Benutzer basteln gerne ;-)

Beim Lesen in den Eham Kommentaren fällt einem so einiges auf. So hat zum Beispiel der Kenwood TS890S mit 82 Bewertungen fünf Sterne abgekriegt. Das ist ausserordentlich. Man erfährt aber zum Beispiel auch, dass die Produkte von MFJ eher bescheidene Kommentare abbekommen. Ob die Leute dort Probleme in der Qualitätskontrolle haben?

Doch zurück zur Liste von Rob Sherwood. Frank K4FMH hat sich Rob's  Liste ausgeliehen und sie interessanter gemacht. Man kann jede Spalte auswählen und die Liste wird augenblicklich nach dem neuen Kriterium geordnet. Aufwärts oder abwärts, je nach Gusto. Bei diesem Spiel erfährt man viele interessante Dinge. Wieso zum Beispiel sind alle Flexradios taube Nüsse. Pardon. Wieso sind sie so viel weniger empfindlich als die anderen? Ohne Vorverstärker, notabene. Wird eventuell der Dynamikbereich schlechter und würde der Transceiver damit einige Plätze nach unten rutschen? Na ja, ich mein ja nur. Die deutschen Autobauer haben ihre Diesel auch manipuliert um nicht aus der Liste zu fallen.

Aber man findet bei Frank's aufgemotzter Liste auch Antwort auf die Frage, wieso man als junger Amateur mit dem TS-520 oder FT-101E Abends keinen ruhigen Empfang im 40m Band hatte. An der Langdraht war der Teufel los. Die Sender hierseits und jenseits des eisernen Vorhangs veranstalteten ein Tohuwabohu. Das lag am niedrigen Dynamikbereich, auch bei weitem Signal-Abstand (Spalte: DR Wide dB). Der Yaesu hatte 60, der Kenwood 63 dB Dynamikbereich bei 20 kHz Abstand. Vermutlich wäre das Resultat auch bei 100 oder 200 kHz Abstand nicht viel besser ausgefallen. Heutige Empfänger haben mindestens 40dB mehr. Also Faktor 10000. Das sind Welten. 

Ich hatte mal einen Anfall von Nostalgie und hatte mir meinen ersten Kurzwellentransceiver als Gebrauchter wieder zugelegt und revidiert. Einen Kenwood TS-510. Doch irgendwie hat das mit meiner Erinnerung nicht geklappt. Sie hat unter all den Jahrzehnten gelitten und einiges verklärt. Zuviel Wein oder verwöhnt durch moderne Transceiver?

Trotzdem gibt es einen Haken an der Sache. Reine SDR-Empfänger mit einem Analog/Digitalwandler direkt  am Eingang, können einen Overflow erleiden. Einen Überfluss an Bits im A/D-Wandler. Sind alle Bits besetzt, gerät der Empfänger aus dem Takt und produziert ein Tohuwabohu wie einst der TS-520. Das ist dann wie bei einem Erstklässler, von dem man verlangt, er solle bis tausend zählen. Ihm gehen irgendwann die Zahlen aus und er fängt an, zu fabulieren. Mir ist das Flackern der OVL Anzeige bei meinem Icom IC-7300 noch gut in Erinnerung, als ich ihn an einer Langdraht betrieben habe. Seine Eingangsfilter waren manchmal zu breit für den A/D-Wandler. Der kam dann mit den vielen starken Signalen nicht mehr klar. Overflow. Die Bits flossen über.

Das passiert übrigens auch beim IC-9700. Wenn die Yagi auf den Sender zeigt, der die Signale für die Pager liefert, bekommt er zu meinem Verdruss einen Überfluss. 

Den Ingenieuren von Icom war das sicher bekannt. Aber die Marketingleute waren am Drücker und sagten vermutlich zu den Ingenieuren: "Das ist doch bloss ein Detail, das die wenigsten User bemerken werden. Die Leute kaufen das Teil wie warme Semmeln. Es muss raus. Jetzt. Heute geht ja alles mit Software. Also schickt asap ein Update raus. Dann ist die Geschichte bald vergessen."

Leider hat das nicht geklappt. Es konnte gar nicht. Denn es gibt heute immer noch Dinge, die man nicht per Software lösen kann. Auch wenn mir das in meiner Umgebung kaum mehr einer glaubt. Man hätte dem Transceiver einen potenteren Prozessor einbauen müssen - also quasi einen neuen Motor - oder man hätte die Eingangsfilter verbessern müssen. Und da sind Kondensatoren, Spulen und Dioden. Das ist dann bei den nächsten Modellen auch passiert. Der Icom IC-7610 verfügt über ein mitlaufendes hoch selektives Eingangsfilter. Je eines pro Empfänger. Die anderen Hersteller haben das natürlich nachvollzogen. Yaesu war noch vorsichtiger. Einige Transceiver sind Hybridgeräte. Klassische SDR-Superhet gepaart mit separaten A/D-Wandlern für die Wasserfall-Anzeige.

In Funkerkreisen werden, seitdem es Geräte zu kaufen gibt, die ewig gleichen Fragen gestellt. Welcher Transceiver ist der beste, welchen würdest du kaufen? Früher fragte man nach einem Schaltplan für den nächsten Eigenbau und woher man die Bauteile bekommt. In Zukunft wird man nur noch nach der besten Software fragen. 

Wie dem auch sei. Wenn ich einen Neuen kaufen würde, würde ich den Schönsten nehmen. Der mit dem besten Design und allen Knöpfen dort, wo ich sie haben möchte. Genau wie beim Autokauf. Ich würde die Haube nicht aufmachen und nach den PS würde ich auch nicht fragen: es sind ja meistens 0.136PS = 100 Watt. Ach ja, da ist ja noch der Preis. Doch im Vergleich zu den teuren Elektroautos, die wir uns in Zukunft - par ordre du mufti - anschaffen müssen, geht der im Rauschen unter.