Montag, 22. Januar 2024

Gib mir ein Googol und ich hebe das Universum aus den Angeln

 


Mein "Hausberg" HB/FR-028 ca. 6 km Luftlinie vom Shack entfernt.

Im letzten Jahrhundert hatten Amateurfunk-Geräte einen Abstimmknopf mit einer mechanischen Untersetzung. Der VFO (Variable Frequency Oscillator) arbeitete analog, kontinuierlich und ohne Abstimmschritte. Abgestimmt wurde mit einem Drehkondensator oder einem Ferritkern der in eine Spule geschoben wurde.

Heutzutage braucht es natürlich kein Untersetzungsgetriebe mehr. Hinter dem Abstimmknopf befindet sich ein Encoder, der den Frequenz-Synthesizer steuert. Nur noch unverbesserliche Bastler brauchen noch Untersetzungsgetriebe. Oft sind das Planetengetriebe mit Friktionsantrieb - also ohne Zahnräder.  Wie so ein Getriebe funktioniert, können wir hier beobachten:


 Ein analoger VFO braucht natürlich eine Skala wie hier im Kenwood TS-520, und zum Beginn war die natürlich auch mechanischer Natur. Später koppelte man eine digitale Frequenzanzeige an den VFO wie hier im Yaesu FT-102. Oder verwendete gleich beide Anzeigearten wie hier im Kenwood TS-130S. Das erleichterte den OM die Umgewöhnung von der analogen auf die digitaler Anzeige.

Die Abstimmung war jedoch bequemer als heute. Je schneller man den Knopf drehte, desto rascher kurbelte man übers Band. Man brauchte nicht extra einen Schnellgang-Knopf zu drücken oder die Schrittweite des Encoders auszuwählen.

Mechanische Untersetzungen braucht es zwar in den heutigen Transceivern nicht mehr. Sie sind aber in der Technik nach wie vor weit verbreitet. Die bisher größte Untersetzung, die mir begegnet ist, ist eine Googol-Untersetzung. Googol und nicht etwa Google. Doch zwischen den beiden Begriffen besteht sehr wohl ein Zusammenhang. Die berühmte Suchmaschine hat ihren Namen nämlich vom Googol.

Doch was ist ein Googol?

Ein GOOGOL ist eine unvorstellbar hohe Zahl. Eine Eins mit hundert Nullen. Oder einfacher und ohne so viele Nullen schreiben zu müssen: 10 hoch hundert.

Obwohl normale Menschen, Taschenrechner und Computer mit einem Googol nichts Gescheites anfangen können, haben ein paar Verrückte die Sache noch weiter getrieben: Sie haben den Googolplex erfunden. Das ist 10 hoch Googol. Natürlich kamen dann noch weitere Spassvögel und haben noch höhere und nutzlosere Potenztürme gebaut. Googolplexplexplex zum Beispiel.

Das Googol fasziniert nicht nur Mathematiker sondern auch technikaffine Menschen. So hat u.a. Daniel de Bruin eine Untersetzung gebaut mit einem Verhältnis von Googol:1


Damit sich das letzte Rad dieser Maschine einmal dreht, muss sich das erste Rad 1 Googol mal gedreht haben. Da dürfte der gute Daniel sehr lange drehen, bis es soweit kommt. 

Der Motor, den er bei seiner Googol-Untersetzung im Video eingespannt hat, braucht ca. 3.5 Sekunden für eine Umdrehung. Damit braucht das fünfte Rad etwa 10 Stunden, um sich einmal zu drehen. In einem Monat wird das siebte Rad eine Umdrehung geschafft haben und das achte Rad braucht dazu mehr als ein Jahr. Während der Lebenszeit von Daniel wird das zehnte Rad keine Umdrehung zustande bringen und auch wenn er sein restliches Leben mit der Beobachtung dieser Untersetzung verbringt, wird er bei den weiteren Rädern keine Bewegung feststellen können. Vielleicht is es ja ein Trost: aber wenn sich das letzte Rad bewegen würde, wäre unsere Universum schon längst Geschichte. Und wenn es doch noch existieren würde, könnte das letzte Rad mit seinem Drehmoment das ganz Universum aus den Angeln heben.  

"Gib mir einen Hebel, der lang genug ist, und ich hebe die Erde aus den Angeln", soll Archimedes gesagt haben. Heute sagt man: "Gib mir ein Googol und ich hebe das Universum aus den Angeln."

Na ja, man muss ja nicht immer sinnvolles Basteln. Ich verbuche das unter technische Kunst. 

Eine ganz andere Art von technischer Kunst hat Gislain Benoit geschaffen. Auch sein Kunstwerk hat mit der Zeit zu tun. Sie ist zudem auch ein technisches Altertum wie das Planetengetriebe in unserem analogen Funkgerät. Gislain hat eine Uhr gebaut, die auf integrierte Schaltungen (IC) ganz verzichtet. Ein Kunstwerk, das er schlicht und einfach "The Clock" nennt. Alle logischen Schaltkreise der Uhr  sind nur mit Dioden, Transistoren und Widerständen aufgebaut.

  

Donnerstag, 11. Januar 2024

Was ist mit MUS passiert?

 

Mein erster Alpental-Transceiver. Inzwischen bin ich an Nummer 4. Es hat für mich was Meditaves, immer wieder QRP-Geräte zu basteln.


Viele Jahre habe ich die Morseübungssendung, MUS genannt, des Helvetia Telegraphie Clubs gehört. Jeweils am Montag Abend um sieben Uhr Lokalzeit. Auf 3569 kHz, dann auf 3570.5 kHz. Die Übungstexte wurden dort im Tempo 60, 80, 100, 120 und 140 BpM gesendet und am Schluss fand dann jeweils ein Bestätigungsverkehr statt. 

Die Texte, soweit es den Klartext anbelangt waren oft herausfordernd, lassen sich doch in der deutschen Sprache die verrücktesten Schlangenwörter bilden. Zwar wird kaum ein Telegrafist auf die Idee kommen Schlangenlinienkontrollinstrument oder Spannungsabfallmesszange zu morsen. Im echten Klartext-QSO hält man die Sprache einfach und hält die Wörter kurz. Doch amüsant war es allemal. 

Ein lustiger Klub. Eine Zeit lang dachte ich daran, diesem Verein beizutreten. Aber ich konnte keinen relevanten Mehrwert für mich entdecken und so liess ich es bleiben. Einzig diese MUS, die hatte es mir angetan. Für die hätte ich sicher einige Franken spendiert.

Nun ist die MUS weg. Das heisst: seit einiger Zeit kann ich sie nicht mehr hören. Vielleicht ist sie jetzt anderswo im Nirgendwo des Aethers. Doch auf der Homepage des Clubs war sie gestern  noch terminiert wie eh und je. Kein Hinweis über ihr Verbleiben.

Wenn ich an die MUS im letzten Jahr denke, fällt mir aber auf, dass sich das Verschwinden  der MUS irgendwie angekündigt hat. Es fing damit an, dass plötzlich ein Morsezeichen verwendet wurde, das ich für ausgestorben hielt. Nein, nicht etwa die Umlaute ä, ö und ü, das hätte ich noch verstanden. Es war das CH, das plötzlich aus dem Nichts auftauchte: vier Striche. Eine echte Herausforderung, wie ihr euch vorstellen könnt. "Ich" wurde nun zu  ".. ----" 

Bei Tempo 60 geht das ja noch. Man hat genügend Zeit, zu überlegen. Aber bei 120 begann sich das Gehirn zu verknoten.

Dann kam die MUS immer unregelmäßiger daher. Manchmal verspätet, manchmal gar nicht. Nur das CH blieb. Im Nachhinein muss ich aber sagen: "Das CH fehlt mir. Gut, dass ich eins auf dem Auto hab."

Doch das Verschwinden der MUS ist nicht das Ende der Morsetelegraphie, wie sie oft prophezeit wird. Das ist Wunschdenken der Morseanalphabeten. 

Und an Morsevereinen besteht auch kein Mangel. Der exklusivste von allen ist übrigens der FOC, der First Class CW Operators Club. Er wurde 1833 gegründet und die Anzahl Mitglieder wurde damals auf 100 limitiert. Nun sind es 500. Mehr nimmt der FOC nicht auf. In diese Crème de la Crème aufgenommen zu werden, ist aber ohnehin nicht einfach. Man muss nicht nur perfekt in Tempo 25 WpM telegraphieren können, man braucht auch Empfehlungen von anderen FOC-Mitgliedern. Davon mindestens einem aus dem UK. 

Es kann ja auch nicht jeder beim WEF in Davos oder bei den Bilderbergern mitmachen. Wo kämen wir da hin.

Doch für die, die es nicht in den FOC schaffen, gibt es eine Alternative: Das ist der SOC, der Second Class Operators Club. Wenn schon nicht First, dann mindestens Second. Ja, manchmal ist es sogar besser, im zweiten Glied zu stehen. Nicht nur beim Morsen.

Was mich betrifft, so bin ich Mitglied beim FISTS CW Club. "The Fists", das sind die Fäuste, ein Hinweis darauf, dass hier vor allem Handtasten zum Einsatz kommen. Wie könnte es anders sein: Auch dieser Club wurde von einem Engländer gegründet. Der Club hat über 20'000 Mitglieder und ein interessantes Clubmagazin. Eine Spezialität des FISTS sind die "Leitern". Conteste, bei denen einfach ganz normale CW QSO's gefahren werden. Ohne telegrafische Hast.

Beim SKCC bin ich ebenfalls dabei. Mehr per Zufall, denn Absicht. Dort geht es auch um CW mit der Handtaste und dem Bug, wie schon der Name sagt: Straight Key Century Club. Ein jüngerer CW Club, erst 2006 von US-Amerikanern gegründet. Sie haben im SKCC eine hierarchische Struktur geschaffen, in der man aufsteigen und Titel, Auszeichnungen und Diplome bekommen kann. Auch hier braucht's keine Aufnahmeprüfung und keine Empfehlungen. Die Mitgliedschaft ist kostenlos. Auch dieser Club hat mehr als 20'000 Mitglieder. 

Wer weiss, vielleicht gründe ich zur Abwechslung auch mal einen Club. Zum Beispiel Den AOC, den Alpental Operators Club ;-) 

   

Mittwoch, 10. Januar 2024

Eine Ferritantenne für Längstwellen

 

Wolkentraumstadt. Ein Bild, das mir eine KI nach meinen Angaben erstellt hat.
Die Frage ist:Wer ist nun der Künstler und wer der Besitzer?


Der Alexandersson Sender in Grimeton wird bald 100 Jahre alt. Da werden sicher Spezial-Events auf dem Programm stehen und auch einige Sendungen auf 17.2 kHz.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, eine neue Antenne für den Empfang von SAQ zu bauen. Und da ich schon mal dabei war, habe ich diese Ferritantenne für den ganzen Längstwellenbereich abstimmbar gemacht. 

Ihr wisst ja sicher, wie das mit den Frequenzbereichen gehandhabt wird. Sie erstrecken sich immer über eine Dekade:

Kurzwelle von 3 bis 30MHz

Mittelwelle von 300 kHz bis 3 MHz

Langwelle von 30 bis 300 kHz 

Und die Längstwelle wo Grimeton zuhause ist von 3 bis 30 kHz.

Ich dachte mir, es wäre sicher interessant, zu hören, wer sonst noch in diesem Bereich wohnt. Wie bei meiner bisherigen Grimeton-Empfangsantennen, habe ich wieder auf eine resonante Ferritantenne gesetzt. Und da bei der letzten SAQ-Sendung das Signal recht schwach war, soll die neue Antenne mehr Wellen aus dem Aether einfangen können.

So eine Ferritantenne wirkt ja wie ein Staubsauger für die Magnetlinien der elektromagnetischen Wellen. Der Stab zieht sie quasi an und leitet viel mehr von ihnen durch seine Spule als wenn diese stablos wäre.

Um den "Rohr" dieses Staub- bzw. Magnetlinien- Saugers zu vergrößern, habe ich nicht nur einen Ferritstab benutzt, sondern ein Bündel mit 5 Stück. Das heisst alle alten Ferritstäbe, die ich während meiner Bastelkarriere aus alten Radios gesammelt habe und die meinen Umzug ins Alpental überlebten.

Damit wurde natürlich auch die Spule grösser und ich habe für sie die Hälfte meines Vorrats an 0.2mm Cu-Lackdraht aufgebraucht. Etwa 800 Windungen waren nötig, bis ich eine Induktivität von 60mH erreichte. 



Als Abstimmkondensator wurde ein Rundfunk-Drehko parallel hinzugeschaltet. All seine Sektoren brachten zusammen etwa 1300 pF "auf die Wage". Etwas zu wenig, um bei 17,2 kHz Resonanz zu erreichen, wie ihr hier ausrechnen könnt.

Doch das ist kein Problem. Man kann ja nach Belieben zusätzliche Fixkondensatoren hinzuschalten.  Genau das habe ich getan. Und da ich nicht nur 17.2 KHz sondern den ganzen Bereich der Längstwellen empfangen wollte, musste ich eine ganze Batterie von Zusatzkondensatoren hinzuschalten.

Mehr als vierzig Festkondensatoren mit einem riesigen Monster-Drehschalter zu schalten, kam natürlich nicht in Frage. Monster gibt es in meinem Fundus nur wenige und schon gar nicht in Wellenschalter-Form. 

Daher habe ich für die Längstwellen-Antenne einen binären Kondensator gebaut. Also ganz entgegen meiner Gewohnheit etwas Digitales. Doch digitale Apparate steuert man in der Regel mit einem Mikroprozessor, wie wir wissen. Das wäre etwas zuviel gewesen für dieses Sonntagnachmittag-Projekt.

Doch da habe ich mich daran erinnert, dass ich ja einen Prozessor in meinem Hirnkasten habe. Und die Software auch gleich dazu. Obschon beide in den letzten Jahrzehnten etwas gelitten haben.

Mit dem binären Kondensator schalte ich per Kippschalter 5 Werte hinzu: 1nF, 2nF, 4nF, 8nF, 16nF. Damit kann ich jeden beliebigen Wert in 1nF-Schritten zwischen 0 und 31 nF parallel zum Abstimm-Drehko schalten, und mit diesem den Bereich von ca. 3.5 kHz bis etwa 45 kHz abstimmen. 

Als Impedanzwandler und Verstärker habe ich die gleiche Schaltung benutzt wie bei meiner Ferritantenne, die ich hier beschrieben habe. 


 Die Antenne ist sehr empfindlich und liefert wesentlich stärkere Signale als meine bisherige Ferritantenne. Sie ist auch extrem Trennscharf (hohe Kreisgüte). "But the proof of the pudding is in the eating". Erst bei der nächsten SAQ-Sendung werde ich wirklich hören, was die Neue bringt. Ob nur mehr Noise oder ein stärkeres SAQ-Signal. Bis dann erholt sich das neue Teil in meinem Schrank von der Hitze des Lötens und der Ungemach des Klebens.

Montag, 8. Januar 2024

Bodenwelle und Raumwelle

 

"Was passiert mit den Kurzwellen beim Ausfall der Ionosphäre? Kann man - z.B. im 80m Band - die Bodenwelle nutzen, um zu funken? Was auf 2m möglich ist, sollte doch auch auf Kurzwelle funktionieren?"

Wie so oft heisst die Antwort auch hier: "Es kommt darauf an." Oder in Politiksprech: "Man muss das im Kontext sehen."

Dieser Kontext sieht so aus: nutzbare Bodenwellen existieren nur im Lang- Mittel- und Kurzwellenbereich. Bodenwellen sind Oberflächenwellen. Sie brauchen die Nähe des Bodens und breiten sich entlang der Erdoberfläche aus. Je länger die Wellen, desto weiter. Darauf setzt der Rundfunk auf Lang und Mittelwelle. Die Bodenwelle garantiert eine stabile und sichere drahtlose Verbindung in diesen Wellenbereichen. Die Ionosphäre wird dazu nicht gebraucht. Im Gegenteil: Sie stört nur, wenn sie nachts die Wellen reflektiert und QSB verursacht.

Auf UKW ist es anders. Es gibt keine relevante Bodenwelle. Wir nutzen im 2m Band die Raumwelle.

Im VHF/UHF und Mikrowellen Bereich nützen wir die Raumwelle, weil die Reichweite der Bodenwelle viel zu kurz ist. Ultrakurze Wellen lieben es nicht, dem Erdboden entlang zu kriechen. Ihnen geht rasch die Puste aus. Doch wenn unsere Antenne die der Gegenstation sehen kann, dann funktioniert es. Sichtverbindung nennt man das. Dann funken wir mit der Raumwelle, die sich nicht um den Erdboden schert. Mit Milliwatt über Hunderte von Kilometern. 

Sofern keine Hindernisse im Wege stehen wie oben im Bild. Doch so krass muss es nicht sein. Es reicht bereits, dass Hindernisse in die Nähe der Sichtlinie kommen, um die Wellen zu dämpfen. Denn unsere Funkwellen breiten sich nicht als Strich in der Landschaft aus. Unsere Wellen beanspruchen mehr Platz. 

Dieser Raumanspruch wird Fresnelzone genannt. Man kann sich diese als Ellipsoid vorstellen (ähnlich wie ein Zeppelin), durch dessen Längsachse unser Sichtstrahl führt. Alle Hindernisse, die in die Fresnelzone hineinragen, dämpfen die Wellen. 

  

Bild von Jcmcclurg - FresnelSVG.svg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22193531

Doch zurück zur Kurzwelle: Die Fresnelzone gilt natürlich auch für die Kurzwelle und hier sind ihre Auswirkungen gravierend. Die Dicke des Zeppelins vergrössert sich nämlich mit der Wellenlänge. Bereits im 40m Band ist die Fresnelzone so dick, dass die Wellen schon kurz nach der Antenne mit dem Erdboden "kollidieren" und somit in die Fresnelzone kommen. Wenn unsere 40m Welle nicht hinauf zur Ionosphäre eilen würde, um dort reflektiert zu werden, würde sich die Raumwelle innert kurzer Distanz in der Fresnelzone zu Tode laufen. 

Die Kurzwelle in der gleichen Art wie auf UKW für Sichtverbindungen zu nutzen, funktioniert höchstens im 10m/11m Band. Im Übergangsbereich zwischen Kurzwelle und VHF.

Auf den längeren Kurzwellen muss die Bodenwelle ran, wenn die Ionosphäre nicht im Spiel ist. Allerdings nur unter einer Bedingung: Die Antenne muss vertikal polarisiert sein. Horizontal polarisierte Wellen erzeugen keine relevante Bodenwelle.

Sichtverbindungen über die Raumwelle funktionieren auf Kurzwelle schlecht. Unsere Antennen sind zu niedrig und die Fresnelzone "versinkt" bereits im Erdboden vor der Antenne. Wie ein abgestürzter Zeppelin.

Das ist natürlich eine verzwickte Sache. Die meisten Amateurfunkantennen für 40, 80 und 160m sind horizontal polarisiert. Sie strahlen zwar ihre Wellen in den Himmel über unserer Station. Aber wenn die Ionosphäre nicht da ist, um sie zu reflektieren, nützt das nichts. 

Schauen wir doch einmal, wie das in der Praxis aussieht. Mit diesem Diagramm können wir die Reichweite der Bodenwelle für das 40m Band abschätzen. 

Wie wir sehen, schafft die 40m Welle eines 100 Watt Senders noch ca. 30km mit einem S9 Signal. Schlechtes Terrain  reduziert die Reichweite zusätzlich (schlechte Bodenleitfähigkeit, stark bebautes oder zerklüftetes Gelände). Wenn die MUF (100km) über 7MHz liegt und die Ionosphäre auf diese Distanz auch mitspielt, wird es kompliziert: Beim Empfänger kommen dann beide Wellen zusammen an, addieren oder subtrahieren sich. Das führt dann zu starkem QSB.

Doch wie bereits erwähnt, funktioniert das nur mit vertikaler Polarisation. Unsere horizontalen Drähte produzieren hauptsächlich horizontale Polarisation und nur einen Restposten an vertikaler. 

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Kurven der ITU für die Bodenwellen von 10kHz bis 30 MHz. Diese Kurven gibt es für Meer- und Süsswasser und Böden mit unterschiedlicher Bodenleitfähigkeit. Man findet das Dokument hier.   Die Diagramme sind sehr interessant und zeigen die Auswirkung der verschiedenen Oberflächen auf die Reichweite der Bodenwelle. Damit man etwas mit den angegebenen uV/m anfangen kann, ist es gut zu wissen, dass S9 (50uV) 22 uV/m entsprechen.

Das 40m Band ist mehr ein Europa (tagsüber) und DX Band (nachts) und wird weniger für Verbindungen über kurze Distanzen benutzt. Da sind 80m und vor allem 160m schon eher geeignet. In diesem Diagramm hier sehen wir, wie weit die Bodenwelle im 160m Band reicht.

Das sieht doch schon besser aus, nicht war? Die Bodenwelle eines 100 Watt Signal kann über 100km zurücklegen, um noch ein S9 Signal zu erzeugen. Vorausgesetzt, die Antennen sind vertikal und strahlen die volle Leistung ab. 

Doch mit den 160m Antennengebilden des "Normal-Amateurs" ist das nicht zu schaffen. Schon wegen der geringen Effizienz und der hauptsächlich horizontalen Polarisation würde ich schätzungsweise 20 bis 30 dB abziehen. So um die 30 km+könnte für die Bodenwelle dann noch drin liegen. Mit einem verkürzten, niedrig hängenden Inverted V Dipol zum Beispiel. Eine Inverted L-Antenne dürfte aber besser abschneiden, da der Vertikalteil der Antenne mehr vertikal polarisierte Wellen erzeugt. Das gilt für unser Hügel- und Bergland. Wer an der Küste wohnt erlebt die "Funkwelt" anders.

Die Diagramme für 40 und 80m stammen von der Webseite von VU2NSB. Dort könnt ihr noch viel mehr über Wellenausbreitung erfahren. Es lohnt sich, diese Seiten zu studieren. Wenn man lieber Deutsch liest - kein Problem. Google übersetzt die Seiten mit einem Mausklick (Rechte Maustaste> Übersetzen auf Deutsch).

Über die Bodenwelle habe ich schon an anderer Stelle geschrieben. Zum Beispiel hier.

Wir Amateure bringen - im Gegensatz zu den Profis - manchmal Dinge durcheinander. Auch die Begriffe Boden- und Raumwelle. Im Englischen ist es noch schlimmer: Von Surface and Ground-wave wird geschrieben. VU2NSB versucht auf seiner Web-Seite dieses Gewirr etwas zu entwirren. Daher zum Schluss nochmals zusammengefasst:

Bodenwellen kriechen dem Erdboden entlang und interagieren mit diesem. Sie sind vertikal polarisiert. Je grösser die Wellenlänge, desto grösser die Reichweite. Auf 144 MHz und höher ist die Reichweite unbedeutend klein.

Raumwellen strahlen in den Raum und folgen den Gesetzen der Optik (Diffraktion, Refraktion, Reflexion, Fresnelzone). Auf UKW erreichen wir damit den nächsten Berggipfel. Auf Kurzwelle erreicheit die Raumwelle die Ionosphäre, aber die ausgedehnte Fresnelzone behindert die direkte Übertragung von Antenne zu Antenne über Land. Da muss die Bodenwelle ran.    

    

Freitag, 5. Januar 2024

2024 sidavouq

 


Gerade fällt mir auf, dass meine Schreibfrequenz abnimmt. Im Dezember habe ich nur zwei Blogeinträge geschrieben. Ich bin also im QRS-Mode. Doch im Moment gibt es nicht viel Neues. Es warten keine neuen Projekte auf mich, und Projekte, die auf mich warten, gibt es schon längst nicht mehr. Glücklicherweise. Es dünkt mich, ich habe schon alles gebastelt, was mir eingefallen ist und für mich machbar war. Meine Ausrüstung ist komplett, die Pipeline leer. 

Auch in den anderen Amateurfunkblogs herrscht Ebbe. Dass das Sonnenfleckenmaximum vor der Tür steht und dass die meisten Funkverbindungen auf ein paar FT-8 Kanäle, Conteste und Expeditions-Pileups beschränkt sind, wissen die meisten. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass beim Amateurfunk die Luft draussen ist. Aber vielleicht entstammen diese trüben Gedanken beim Beobachten des Zustandes unserer Welt. Ich fürchte, 2024 wird uns nicht nur ein Maximum von Sonnenflecken bescheren, sondern auch ein Maximum an menschlichen Katastrophen. Dabei würden uns die natürlichen Katastrophen schon reichen.  

An der Gerätefront ist auch nichts los. Die "grossen" Hersteller haben ihren Innovations-Rhythmus verlängert. Das zeigt schon ein Blick auf diese Liste hier. Das ist eine Liste aller Geräte, die Rob Sherwood in seiner langen Karriere gemessen hat. Da sind alle wichtigen Amateurfunktransceiver seit den Sechzigerjahren dabei. Ich denke, die meisten von euch kennen diese Hitliste der besten Empfänger.

Für alle anderen: Rob Sherwood ist nicht nur ein ausgezeichneter Ingenieur, er ist auch ein angefressener CW Contester. Er scheint den Klang der Telegrafie-Signale zu lieben, die nur wenige hundert Hertz nebeneinander um die Wette eifern. Da ist neben der Selektivität des Empfängers auch sein Dynamikabstand entscheidend. Wie gut kann ein Empfänger nahe beieinander liegende Signale verarbeiten, ohne Wellensalat zu produzieren? Und genau nach diesem Kriterium hat Rob seine Hitliste sortiert. An der Spitze stehen die Geräte mit dem größten Dynamikbereich bei 2 kHz Signalabstand.

Hier ist sie, die berühmt, berüchtigte Sherwood List.

Auch die Hersteller kennen diese Liste. Und selbstverständlich entwickeln sie ihre Transceiver so, dass sie möglichst weit oben in Rob Sherwoods Liste figurieren. Möglichst auf dem Podest. Gold, Silber, oder Bronze. Mindestens. Dabei ist die Technik ziemlich ausgereizt. Die obersten 20 Transceiver auf der Liste dürften auch den anspruchsvollsten Funkern genügen. Die meisten von uns würden im täglichen Funkbetrieb kaum Unterschiede zwischen den Modellen ausmachen können.  

Rob Sherwood misst aber nur, was er messen kann. Die Zuverlässigkeit (MTBF) gehört leider nicht dazu. Auch kein Preis/Leistungsverhältnis. Wie sollte man dies auch definieren? 

Leider hat Rob einen Wert nicht gemessen, den er durchaus hätte messen können: Wie gut sind die Sender der Transceiver? Wie breit sind ihre Signale, wieviel Splatter produzieren sie? Kurz: Wie gross ist der Intermodulationsabstand der Sender. Was nützt der beste Empfänger, wenn der Sender schlecht ist? Dass "weiche" Faktoren wie Bedienbarkeit und Design auch nicht Bestandteil dieser Liste sind, ist klar. 

Dafür eignet sich aber eine andere Liste. Nämlich die Review Liste von Eham.net. Dort findet die Zufriedenheit der Benutzer ihren Niederschlag. Es lohnt sich, die Kommentare zu seinem Wunschgerät zu studieren, bevor man sich in Kosten stürzt. Auch wenn es sich nicht um einen 5k$ Transceiver, sondern nur um ein kleines Zubehör zur Station handelt. 

Doch die Kommentare sollten immer im Kontext gelesen werden. Handelt es sich um einen enttäuschten Kunden, der ein Montagsgerät erwischt hat oder vom Kundenservice genervt war? Ist es ein Jubelkommentar eines Newcomers, oder eines OM's der nach 50 Jahren von einem Kenwood TS-500 auf ein Icom-7610 umgestiegen ist? Zu berücksichtigen ist auch die Entwicklungsgeschichte eines Apparats. Wurde das Gerät beim Kunden fertig entwickelt und erfuhr es deshalb ein Hardware-Upgrade? Musste zum Beispiel die Endstufe nachgebessert und mit anderen Transistoren bestückt werden, damit sie nicht so häufig kaputt ging? Wie zum Beispiel beim ICOM-7700?

Solche Ereignisse schlagen sich natürlich in den Kommentaren nieder und lasten auf der Beurteilung. Bis in alle Ewigkeit. Altlasten, die die Early Birds bezahlt haben. Doch Vorsicht bei Gebrauchten: Ist das Gerät schon ein nachgebessertes? So oder so gilt beim Occasionskauf äußerste Vorsicht. Zwar sind Amateurfunkgeräte erstaunlich langlebig. Doch ihre Benutzer basteln gerne ;-)

Beim Lesen in den Eham Kommentaren fällt einem so einiges auf. So hat zum Beispiel der Kenwood TS890S mit 82 Bewertungen fünf Sterne abgekriegt. Das ist ausserordentlich. Man erfährt aber zum Beispiel auch, dass die Produkte von MFJ eher bescheidene Kommentare abbekommen. Ob die Leute dort Probleme in der Qualitätskontrolle haben?

Doch zurück zur Liste von Rob Sherwood. Frank K4FMH hat sich Rob's  Liste ausgeliehen und sie interessanter gemacht. Man kann jede Spalte auswählen und die Liste wird augenblicklich nach dem neuen Kriterium geordnet. Aufwärts oder abwärts, je nach Gusto. Bei diesem Spiel erfährt man viele interessante Dinge. Wieso zum Beispiel sind alle Flexradios taube Nüsse. Pardon. Wieso sind sie so viel weniger empfindlich als die anderen? Ohne Vorverstärker, notabene. Wird eventuell der Dynamikbereich schlechter und würde der Transceiver damit einige Plätze nach unten rutschen? Na ja, ich mein ja nur. Die deutschen Autobauer haben ihre Diesel auch manipuliert um nicht aus der Liste zu fallen.

Aber man findet bei Frank's aufgemotzter Liste auch Antwort auf die Frage, wieso man als junger Amateur mit dem TS-520 oder FT-101E Abends keinen ruhigen Empfang im 40m Band hatte. An der Langdraht war der Teufel los. Die Sender hierseits und jenseits des eisernen Vorhangs veranstalteten ein Tohuwabohu. Das lag am niedrigen Dynamikbereich, auch bei weitem Signal-Abstand (Spalte: DR Wide dB). Der Yaesu hatte 60, der Kenwood 63 dB Dynamikbereich bei 20 kHz Abstand. Vermutlich wäre das Resultat auch bei 100 oder 200 kHz Abstand nicht viel besser ausgefallen. Heutige Empfänger haben mindestens 40dB mehr. Also Faktor 10000. Das sind Welten. 

Ich hatte mal einen Anfall von Nostalgie und hatte mir meinen ersten Kurzwellentransceiver als Gebrauchter wieder zugelegt und revidiert. Einen Kenwood TS-510. Doch irgendwie hat das mit meiner Erinnerung nicht geklappt. Sie hat unter all den Jahrzehnten gelitten und einiges verklärt. Zuviel Wein oder verwöhnt durch moderne Transceiver?

Trotzdem gibt es einen Haken an der Sache. Reine SDR-Empfänger mit einem Analog/Digitalwandler direkt  am Eingang, können einen Overflow erleiden. Einen Überfluss an Bits im A/D-Wandler. Sind alle Bits besetzt, gerät der Empfänger aus dem Takt und produziert ein Tohuwabohu wie einst der TS-520. Das ist dann wie bei einem Erstklässler, von dem man verlangt, er solle bis tausend zählen. Ihm gehen irgendwann die Zahlen aus und er fängt an, zu fabulieren. Mir ist das Flackern der OVL Anzeige bei meinem Icom IC-7300 noch gut in Erinnerung, als ich ihn an einer Langdraht betrieben habe. Seine Eingangsfilter waren manchmal zu breit für den A/D-Wandler. Der kam dann mit den vielen starken Signalen nicht mehr klar. Overflow. Die Bits flossen über.

Das passiert übrigens auch beim IC-9700. Wenn die Yagi auf den Sender zeigt, der die Signale für die Pager liefert, bekommt er zu meinem Verdruss einen Überfluss. 

Den Ingenieuren von Icom war das sicher bekannt. Aber die Marketingleute waren am Drücker und sagten vermutlich zu den Ingenieuren: "Das ist doch bloss ein Detail, das die wenigsten User bemerken werden. Die Leute kaufen das Teil wie warme Semmeln. Es muss raus. Jetzt. Heute geht ja alles mit Software. Also schickt asap ein Update raus. Dann ist die Geschichte bald vergessen."

Leider hat das nicht geklappt. Es konnte gar nicht. Denn es gibt heute immer noch Dinge, die man nicht per Software lösen kann. Auch wenn mir das in meiner Umgebung kaum mehr einer glaubt. Man hätte dem Transceiver einen potenteren Prozessor einbauen müssen - also quasi einen neuen Motor - oder man hätte die Eingangsfilter verbessern müssen. Und da sind Kondensatoren, Spulen und Dioden. Das ist dann bei den nächsten Modellen auch passiert. Der Icom IC-7610 verfügt über ein mitlaufendes hoch selektives Eingangsfilter. Je eines pro Empfänger. Die anderen Hersteller haben das natürlich nachvollzogen. Yaesu war noch vorsichtiger. Einige Transceiver sind Hybridgeräte. Klassische SDR-Superhet gepaart mit separaten A/D-Wandlern für die Wasserfall-Anzeige.

In Funkerkreisen werden, seitdem es Geräte zu kaufen gibt, die ewig gleichen Fragen gestellt. Welcher Transceiver ist der beste, welchen würdest du kaufen? Früher fragte man nach einem Schaltplan für den nächsten Eigenbau und woher man die Bauteile bekommt. In Zukunft wird man nur noch nach der besten Software fragen. 

Wie dem auch sei. Wenn ich einen Neuen kaufen würde, würde ich den Schönsten nehmen. Der mit dem besten Design und allen Knöpfen dort, wo ich sie haben möchte. Genau wie beim Autokauf. Ich würde die Haube nicht aufmachen und nach den PS würde ich auch nicht fragen: es sind ja meistens 0.136PS = 100 Watt. Ach ja, da ist ja noch der Preis. Doch im Vergleich zu den teuren Elektroautos, die wir uns in Zukunft - par ordre du mufti - anschaffen müssen, geht der im Rauschen unter.