Gerade fällt mir auf, dass meine Schreibfrequenz abnimmt. Im Dezember habe ich nur zwei Blogeinträge geschrieben. Ich bin also im QRS-Mode. Doch im Moment gibt es nicht viel Neues. Es warten keine neuen Projekte auf mich, und Projekte, die auf mich warten, gibt es schon längst nicht mehr. Glücklicherweise. Es dünkt mich, ich habe schon alles gebastelt, was mir eingefallen ist und für mich machbar war. Meine Ausrüstung ist komplett, die Pipeline leer.
Auch in den anderen Amateurfunkblogs herrscht Ebbe. Dass das Sonnenfleckenmaximum vor der Tür steht und dass die meisten Funkverbindungen auf ein paar FT-8 Kanäle, Conteste und Expeditions-Pileups beschränkt sind, wissen die meisten. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass beim Amateurfunk die Luft draussen ist. Aber vielleicht entstammen diese trüben Gedanken beim Beobachten des Zustandes unserer Welt. Ich fürchte, 2024 wird uns nicht nur ein Maximum von Sonnenflecken bescheren, sondern auch ein Maximum an menschlichen Katastrophen. Dabei würden uns die natürlichen Katastrophen schon reichen.
An der Gerätefront ist auch nichts los. Die "grossen" Hersteller haben ihren Innovations-Rhythmus verlängert. Das zeigt schon ein Blick auf diese Liste hier. Das ist eine Liste aller Geräte, die Rob Sherwood in seiner langen Karriere gemessen hat. Da sind alle wichtigen Amateurfunktransceiver seit den Sechzigerjahren dabei. Ich denke, die meisten von euch kennen diese Hitliste der besten Empfänger.
Für alle anderen: Rob Sherwood ist nicht nur ein ausgezeichneter Ingenieur, er ist auch ein angefressener CW Contester. Er scheint den Klang der Telegrafie-Signale zu lieben, die nur wenige hundert Hertz nebeneinander um die Wette eifern. Da ist neben der Selektivität des Empfängers auch sein Dynamikabstand entscheidend. Wie gut kann ein Empfänger nahe beieinander liegende Signale verarbeiten, ohne Wellensalat zu produzieren? Und genau nach diesem Kriterium hat Rob seine Hitliste sortiert. An der Spitze stehen die Geräte mit dem größten Dynamikbereich bei 2 kHz Signalabstand.
Hier ist sie, die berühmt, berüchtigte Sherwood List.
Auch die Hersteller kennen diese Liste. Und selbstverständlich entwickeln sie ihre Transceiver so, dass sie möglichst weit oben in Rob Sherwoods Liste figurieren. Möglichst auf dem Podest. Gold, Silber, oder Bronze. Mindestens. Dabei ist die Technik ziemlich ausgereizt. Die obersten 20 Transceiver auf der Liste dürften auch den anspruchsvollsten Funkern genügen. Die meisten von uns würden im täglichen Funkbetrieb kaum Unterschiede zwischen den Modellen ausmachen können.
Rob Sherwood misst aber nur, was er messen kann. Die Zuverlässigkeit (MTBF) gehört leider nicht dazu. Auch kein Preis/Leistungsverhältnis. Wie sollte man dies auch definieren?
Leider hat Rob einen Wert nicht gemessen, den er durchaus hätte messen können: Wie gut sind die Sender der Transceiver? Wie breit sind ihre Signale, wieviel Splatter produzieren sie? Kurz: Wie gross ist der Intermodulationsabstand der Sender. Was nützt der beste Empfänger, wenn der Sender schlecht ist? Dass "weiche" Faktoren wie Bedienbarkeit und Design auch nicht Bestandteil dieser Liste sind, ist klar.
Dafür eignet sich aber eine andere Liste. Nämlich die Review Liste von Eham.net. Dort findet die Zufriedenheit der Benutzer ihren Niederschlag. Es lohnt sich, die Kommentare zu seinem Wunschgerät zu studieren, bevor man sich in Kosten stürzt. Auch wenn es sich nicht um einen 5k$ Transceiver, sondern nur um ein kleines Zubehör zur Station handelt.
Doch die Kommentare sollten immer im Kontext gelesen werden. Handelt es sich um einen enttäuschten Kunden, der ein Montagsgerät erwischt hat oder vom Kundenservice genervt war? Ist es ein Jubelkommentar eines Newcomers, oder eines OM's der nach 50 Jahren von einem Kenwood TS-500 auf ein Icom-7610 umgestiegen ist? Zu berücksichtigen ist auch die Entwicklungsgeschichte eines Apparats. Wurde das Gerät beim Kunden fertig entwickelt und erfuhr es deshalb ein Hardware-Upgrade? Musste zum Beispiel die Endstufe nachgebessert und mit anderen Transistoren bestückt werden, damit sie nicht so häufig kaputt ging? Wie zum Beispiel beim ICOM-7700?
Solche Ereignisse schlagen sich natürlich in den Kommentaren nieder und lasten auf der Beurteilung. Bis in alle Ewigkeit. Altlasten, die die Early Birds bezahlt haben. Doch Vorsicht bei Gebrauchten: Ist das Gerät schon ein nachgebessertes? So oder so gilt beim Occasionskauf äußerste Vorsicht. Zwar sind Amateurfunkgeräte erstaunlich langlebig. Doch ihre Benutzer basteln gerne ;-)
Beim Lesen in den Eham Kommentaren fällt einem so einiges auf. So hat zum Beispiel der Kenwood TS890S mit 82 Bewertungen fünf Sterne abgekriegt. Das ist ausserordentlich. Man erfährt aber zum Beispiel auch, dass die Produkte von MFJ eher bescheidene Kommentare abbekommen. Ob die Leute dort Probleme in der Qualitätskontrolle haben?
Doch zurück zur Liste von Rob Sherwood. Frank K4FMH hat sich Rob's Liste ausgeliehen und sie interessanter gemacht. Man kann jede Spalte auswählen und die Liste wird augenblicklich nach dem neuen Kriterium geordnet. Aufwärts oder abwärts, je nach Gusto. Bei diesem Spiel erfährt man viele interessante Dinge. Wieso zum Beispiel sind alle Flexradios taube Nüsse. Pardon. Wieso sind sie so viel weniger empfindlich als die anderen? Ohne Vorverstärker, notabene. Wird eventuell der Dynamikbereich schlechter und würde der Transceiver damit einige Plätze nach unten rutschen? Na ja, ich mein ja nur. Die deutschen Autobauer haben ihre Diesel auch manipuliert um nicht aus der Liste zu fallen.
Aber man findet bei Frank's aufgemotzter Liste auch Antwort auf die Frage, wieso man als junger Amateur mit dem TS-520 oder FT-101E Abends keinen ruhigen Empfang im 40m Band hatte. An der Langdraht war der Teufel los. Die Sender hierseits und jenseits des eisernen Vorhangs veranstalteten ein Tohuwabohu. Das lag am niedrigen Dynamikbereich, auch bei weitem Signal-Abstand (Spalte: DR Wide dB). Der Yaesu hatte 60, der Kenwood 63 dB Dynamikbereich bei 20 kHz Abstand. Vermutlich wäre das Resultat auch bei 100 oder 200 kHz Abstand nicht viel besser ausgefallen. Heutige Empfänger haben mindestens 40dB mehr. Also Faktor 10000. Das sind Welten.
Ich hatte mal einen Anfall von Nostalgie und hatte mir meinen ersten Kurzwellentransceiver als Gebrauchter wieder zugelegt und revidiert. Einen Kenwood TS-510. Doch irgendwie hat das mit meiner Erinnerung nicht geklappt. Sie hat unter all den Jahrzehnten gelitten und einiges verklärt. Zuviel Wein oder verwöhnt durch moderne Transceiver?
Trotzdem gibt es einen Haken an der Sache. Reine SDR-Empfänger mit einem Analog/Digitalwandler direkt am Eingang, können einen Overflow erleiden. Einen Überfluss an Bits im A/D-Wandler. Sind alle Bits besetzt, gerät der Empfänger aus dem Takt und produziert ein Tohuwabohu wie einst der TS-520. Das ist dann wie bei einem Erstklässler, von dem man verlangt, er solle bis tausend zählen. Ihm gehen irgendwann die Zahlen aus und er fängt an, zu fabulieren. Mir ist das Flackern der OVL Anzeige bei meinem Icom IC-7300 noch gut in Erinnerung, als ich ihn an einer Langdraht betrieben habe. Seine Eingangsfilter waren manchmal zu breit für den A/D-Wandler. Der kam dann mit den vielen starken Signalen nicht mehr klar. Overflow. Die Bits flossen über.
Das passiert übrigens auch beim IC-9700. Wenn die Yagi auf den Sender zeigt, der die Signale für die Pager liefert, bekommt er zu meinem Verdruss einen Überfluss.
Den Ingenieuren von Icom war das sicher bekannt. Aber die Marketingleute waren am Drücker und sagten vermutlich zu den Ingenieuren: "Das ist doch bloss ein Detail, das die wenigsten User bemerken werden. Die Leute kaufen das Teil wie warme Semmeln. Es muss raus. Jetzt. Heute geht ja alles mit Software. Also schickt asap ein Update raus. Dann ist die Geschichte bald vergessen."
Leider hat das nicht geklappt. Es konnte gar nicht. Denn es gibt heute immer noch Dinge, die man nicht per Software lösen kann. Auch wenn mir das in meiner Umgebung kaum mehr einer glaubt. Man hätte dem Transceiver einen potenteren Prozessor einbauen müssen - also quasi einen neuen Motor - oder man hätte die Eingangsfilter verbessern müssen. Und da sind Kondensatoren, Spulen und Dioden. Das ist dann bei den nächsten Modellen auch passiert. Der Icom IC-7610 verfügt über ein mitlaufendes hoch selektives Eingangsfilter. Je eines pro Empfänger. Die anderen Hersteller haben das natürlich nachvollzogen. Yaesu war noch vorsichtiger. Einige Transceiver sind Hybridgeräte. Klassische SDR-Superhet gepaart mit separaten A/D-Wandlern für die Wasserfall-Anzeige.
In Funkerkreisen werden, seitdem es Geräte zu kaufen gibt, die ewig gleichen Fragen gestellt. Welcher Transceiver ist der beste, welchen würdest du kaufen? Früher fragte man nach einem Schaltplan für den nächsten Eigenbau und woher man die Bauteile bekommt. In Zukunft wird man nur noch nach der besten Software fragen.
Wie dem auch sei. Wenn ich einen Neuen kaufen würde, würde ich den Schönsten nehmen. Der mit dem besten Design und allen Knöpfen dort, wo ich sie haben möchte. Genau wie beim Autokauf. Ich würde die Haube nicht aufmachen und nach den PS würde ich auch nicht fragen: es sind ja meistens 0.136PS = 100 Watt. Ach ja, da ist ja noch der Preis. Doch im Vergleich zu den teuren Elektroautos, die wir uns in Zukunft - par ordre du mufti - anschaffen müssen, geht der im Rauschen unter.