Samstag, 29. Juli 2023

Chäschtlifunker

 

Begegnung auf meinem Morgenspaziergang: Alphornkonzert und Fahnenschwinger. Der Vogel auf der Greyerzer Fahne ist übrigens ein weisser Kranich

Ich wohne zwar im französischsprachigen Teil der Schweiz, doch meine Muttersprache ist das Schweizerdeutsch. Gemäss den Sprachforschern zwar nur ein Dialekt, aber trotzdem für Hochdeutsch Sprechende eine ziemliche Herausforderung. Ein beliebter Test, ein Schibboleth für Schweizerdeutsch Kenntnisse ist das Wort Chuchichäschtli. Die Chuchi ist die Küche und ein Chäschtli ist ein kleiner Schrank.

Dass es auch Chäschtlifunker gibt, wusste ich lange Zeit nicht. Dabei war einer meiner frühen Funkfreunde ein Chäschtlifunker. Damals funkte ich noch unter meinem UKW-Rufzeichen HB9MBS und das Rufzeichen meines Funkpartners Albert war damals HB9MCF (später HB9BCF sk).  Die Kurzwelle war uns UKW-Amateuren verwehrt, denn für die KW-Lizenz musste man eine Morseprüfung mit Tempo 60 BpM bestehen. Es gab nicht viele von uns und unsere Geräte waren oft noch selbst gebaut. Ende der 60er Jahre spielte sich der Sprechfunk im 2m Band noch in AM ab. So wie das heute noch im Flugfunk der Fall ist. Erst in den 70er Jahren kam auch im 2m Band SSB auf und bald darauf eroberte auch FM und damit der Relaisfunk das Band.

Doch zurück zum Chäschtlifunker: Dass Albert ein ehemaliger Chäschtlifunker war, erfuhr ich erst viel später, nachdem wir beide schon längst die Morseprüfung nachgeholt hatten. Denn der zweite Weltkrieg war damals noch nicht so weit weg, dass man über seine Geheimnisse plaudern konnte.

Doch wie wurde man zum Chäschtlifunker und was war ihre Mission?

Nach dem Ausbruch des 2. Weltkriegs bekamen einige pensionierte Telegrafisten und an Funk interessierte Schweizer Bürger Besuch von einem Unbekannten. Der Mann im schwarzen Ledermantel  stellte sich als Major Hagen von der Schweizer Armee vor. Er suche Mitarbeiter für einen speziellen Einsatz im Dienste der Landesverteidigung. Doch erst nach eingehender Überprüfung der Kandidaten ließ der Major die Katze aus dem Sack: Im Wohnhaus der Auserwählten sollte eine getarnte Antenne installiert werden und sie sollten ein Funkgerät erhalten, das erst bei einer Besetzung  der Schweiz zum Einsatz käme: Ein Chäschtli eben, gefüllt mit ein paar Röhren, Spulen, Kondensatoren und Widerständen.
Die Chäschtlifunker sollten sich im Verborgenen bereithalten für den Ernstfall und dann Verbindung aufnehmen mit dem Armeekommando im Réduit - dem Rückzugsort der Armee.
Für ihre Verdienste würden sie am Ende des Krieges die Funkstation geschenkt bekommen und dazu noch ein Amateurfunkrufzeichen erhalten. 
Die Chäschtlifunker erhielten darauf die Funkgeräte mit einem Satz Batterien und Antennenmaterial. In  einem Brief folgten dann Anweisungen zum Funkverkehr. Er sollte auf dem 40m Band stattfinden und die Stationen sollten sich als französische Wetterstationen ausgeben. 
Insgesamt soll es 21 Chäschtli gegeben haben. Doch nichts Genaues weiss man nicht. Denn die Chäschtlifunker hörten nie wieder etwas von Major Hagen. 
Dafür nach Kriegsende von der PTT: Die Chäschtlifunker sollen Station und Antenne abbauen und diese gut verpackt nach Bern schicken, hiess es.
Wo die Chäschtli schlussendlich geblieben sind, weiss heute vermutlich niemand mehr. Bekannt ist jedoch, dass die Chäschtli nur einen Sender und keinen Empfänger enthielten. Die Meldungen sollten im Bedarfsfall also blind abgesetzt werden.

Die Geschichte der Chäschtlifunker ist nur eine kleine Facette der Funkgeschichte in der Schweiz während des zweiten Weltkriegs. Die Schweiz war damals ein Tummelplatz für Spione, Schwarzsender und Verschwörer. Ihnen auf den Fersen war die Funker Kompanie 7. Und mitten unter ihnen die Funkamateure, deren Stationen eingezogen worden waren und die nun in Militäruniformen steckten. Ihre Geschichten sind in einem Artikel von Michael Grimmer HB9BGL zusammengefasst. Dieser umfangreiche Bericht ist spannender als jeder Krimi.

Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich zwischendurch auf meine Magnetloop Antenne im Shack. Nichts deutet für Aussenstehende darauf hin, dass ich eine Funkstation betreibe. Auch ich könnte ein Agent sein, denke ich dabei. Nur heisst mein Chäschtli ICOM und hat auch einen Empfänger. 

1 Kommentar:

  1. Hallo Anton
    Ich habe selbst schon aktive getunte Loopantennen im Haus ausprobiert. Allerdings nur für Empfang. Absolut verblüffend wie gut der Empfang damit funktioniert. Eine zum Senden im Haus, da hätte ich bei 100W wegen dem extrem starken Magnetfeld etwas Bedenken wegen EMV Problemen. Mir ist schon mit 100W und einem Dipol über dem Dach auf 40m zweimal die Elektronik in einer Kaffemaschine ausgefallen. Gemerkt, dass es wegen der HF Einstrahlung vom Dipol war, habe ich es erst beim zweiten Mal. Der Dipol koppelt natürlich in die Elektroinstallation im Haus. Das kann schon fatal sein.
    73 Erhard HB9CIZ

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