Mittwoch, 12. November 2025

Erinnerungen eines Funkamateurs 1 - Germanium

 






Hier in den westlichen Voralpen, im Greyerzerland, erleben wir einen goldenen Herbst, mit viel Sonnenschein und klarer Sicht. Viele Bäume besitzen noch ihre gelb und rot gefärbten Blätter, doch einige sind schon kahl. Von den Höhen der umliegenden Berge blicken wir auf ein weisses Meer, als würden wir an der Küste wohnen. Es ist das Nebelmeer, das in dieser Jahreszeit oft das Mittelland bedeckt. In der Ferne ragen die Berge des Jura aus dem Nebelmeer. Meine Funkkollegen, die in der Tiefe dieses Meers wohnen, sind dann gespannt auf meinen Wetterbericht und wollen wissen, ob es sich lohnt, aufzutauchen und auf einen der vielen SOTA-Gipfel zu klettern, die wie Inseln aus dem weissen Wolkenmeer herausragen.

Funktechnisch gibt es keine grossen Neuigkeiten zu berichten. Die Ausbreitungsbedingungen auf den kurzen Wellen sind gut - kein Wunder in der Nähe des 11-jährigen Sonnenfleckenmaximums. Doch die DX-Signale höre ich hier im Alpental nur gedämpft; die Berge ringsum blockieren die Wellen, die in flachen Winkeln einfallen möchten. Doch NVIS geht prima. Nahverkehr ausserhalb der Bodenwellenreichweite ist oft im 40m und manchmal auch noch im 30m Band möglich. 

Dass unser 70cm Band unter Druck kommt, weil eine US-Firma dort Satellitenbetrieb machen möchte, habt ihr vielleicht schon gelesen. Auch dass unsere Tätigkeit im 23cm Band wegen des europäischen Galileo Navigationssystems stark eingeschränkt werden wird, wisst ihr sicher auch. Und dass es kaum berichtenswerte Neuigkeiten auf dem Funkgerätemarkt gibt, ist offensichtlich.

Auch aus meiner Funkbude gibt es nicht viel zu berichten. Ausser dem Exitus der 2m Endstufe, die ich kürzlich gekauft hatte. Schon nach kurzer Zeit hat sie ihren Geist aufgegeben und anstatt sie nach England zurückzusenden, habe ich versucht, sie selbst zu reparieren. Das ist mir trotz der lückenhaften Dokumentation gelungen. Obwohl der Support des Herstellers bescheiden war und er mir keinen Schaltplan schicken wollte. Schliesslich musste ich nur eine Freilaufdiode ersetzen, die ungenügend dimensioniert worden war. Ich habe mir vorgenommen, nie mehr ein Gerät ohne umfassende technische Dokumentation zu kaufen. Apropos Freilaufdiode: diese sollte mindestens den Schaltstrom des Relais ertragen und so ein kräftiges Antennenrelais hat bald mal so um die 200mA. Mit einer 1N4007 kann man nichts falsch machen.

Das zweite Vorkommnis schaltungstechnischer Art war ein zusätzliches ICOM Mikrofon, das ich gekauft habe. Ein HM-219, wie es z.B. zum IC7300 oder IC9700 mitgeliefert wird. Äusserlich sah das gekaufte Mikrofon gleich wie mein vorhandenes aus, doch sein Inneres unterschied sich deutlich. Die Schaltung war stark vereinfacht worden und die Bauteile wiesen andere Werte auf. Die Modulation war deshalb auf den tiefen Frequenzen gedämpft. Für Abhilfe sorgte ein 100nF Kondensator anstelle des 10nF der parallel zum 22k Widerstand in der Mikrofonleitung sitzt. Nun ist die Modulation nicht mehr vom Orginalmikrofon zu unterscheiden. 

Es gibt also zurzeit kaum Interessantes aus dem Alpental zu berichten. Deshalb werde ich in den folgenden Blogeinträgen versuchen, meine Geschichte zu erzählen. Warum ich mich schon als kleiner Bub für die Ätherwellen interessierte und wie ich schliesslich zum Amateurfunk kam. Damit natürlich auch über meine individuell gefärbte Geschichte des Amateurfunks in den vergangenen Jahrzehnten. Über meine Erlebnisse, über deren Höhen und Tiefen und über die Basteleien und Gerätschaften, mit denen ich am Funkverkehr teilgenommen habe. 

Hier also der erste Teil meiner Erinnerungen:

Meine persönliche "Funkgeschichte" begann irgendwann in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. Wann genau, vermag ich nicht mehr zu sagen. Doch nehmen wir mal an, ich war damals 8 Jahre alt. Die Zeit: Oktober 1959.
Die persönlichen Fotos und Dokumente aus dieser Zeit sind spärlich. Aber an Einiges erinnere ich mich noch, als wäre es erst gestern gewesen. So zum Beispiel an mein erstes Radio. Es entstand aus einem Philips Baukasten, den ich zum Geburtstag geschenkt bekam. Dieses Radio und seine Unterlagen sind in der langen Reihe der Umzüge und Turbulenzen meines Lebens verschwunden. Doch den Schaltplan dieses Geräts, den habe ich noch. Ein einfacher Detektorempfänger, der genau so aufgebaut wurde:


Viel gehört habe ich damit nicht, vermutlich war der Draht, den ich als Antenne verwendete, zu kurz, oder ich hatte das Gegengewicht vergessen. Doch der Philips Baukasten hatte noch mehr zu bieten. Der Detektorempfänger konnte mit einem zweistufigem Transistorverstärker ergänzt werden und sah dann so aus:


 Damit hatte ich mehr Erfolg und konnte doch einige Rundfunkstationen auf Kurzwelle hören. Diese Stimmen, dieses Raunen und Rauschen aus dem Äther hat mich dermassen fasziniert, dass es mich seitdem nicht mehr losgelassen hat. Auf welcher Wellenlänge die empfangenen Signale waren, vermag ich nicht mehr zu sagen, vielleicht im 49, 41 oder 31m Band. Vielleicht habe ich damals auch kürzere Wellen empfangen, Ende der Fünfzigerjahre erreichte die Sonne ein Maximum ihrer Aktivität. Das höchste, das jemals registriert wurde. Leider kann ich mich an eine Skala des Radios nicht mehr erinnern. Vermutlich hatte er keine. Sie hätte sich mir sicher eingeprägt. Auch wenn mein Zahlengedächtnis nicht speziell gut ist, Frequenzen und Wellenlängen vergesse ich selten. 

Wie man aus dem Schaltplan ersehen kann, wurden neben einer Germanium-Diode OA70 zwei Germanium Transistoren OC75 eingesetzt. Damals eine Novität, den der Transistor wurde gerade erfunden, als ich geboren wurde und wir befanden uns damals noch voll und ganz im Röhrenzeitalter. Die Radioempfänger in den Wohnungen waren durchwegs mit Röhren bestückt. Was ein Computer war, wusste keiner, Taschenrechner gab es nicht und die Telefone hatten alle eine Wählscheibe. Die Menschen schrieben sich Briefe und bei wichtigen Ereignissen traf jeweils ein Telegramm von unseren Verwandten aus Übersee ein.

Hier im Bild sind ein Transistor OC75 und eine Diode OA70 zu sehen, wie sie damals in meinem Radio verwendet wurden:


Die ersten Germanium Transistoren wurden in kleine Glasröhrchen eingebaut, die gegen Lichteinfall schwarz lackiert waren. Licht hätte die Funktion des Transistors gestört. Der Glaskörper der Diode OA70 ist hingegen durchsichtig und man kann ihren Aufbau deutlich erkennen: Die Spitze eines Metalldrahtes drückt auf ein Germaniumplättchen.
Für die spätgeborenen Betrachter des Fotos: das längliche Teil im Bild soll als Massstab dienen und ist kein Elektronikbauteil. Man nennt es Zündholz und es wurde früher zum Feuermachen gebraucht. 

Silizium wurde damals noch nicht in Halbleitern eingesetzt. Germanium war der Halbleiter der Stunde. Daneben spielte in Leistungsgleichrichtern Selen noch eine Rolle. Aber diese grossen, aus einer Reihe von Platten bestehenden Gleichrichter, die bei Kurzschluss nach faulen Eiern stanken, kennt heute kaum jemand mehr. 
 
Für Lautsprecherbetrieb konnte der Empfänger noch mit einer weiteren Stufe ergänzt werden. Mit einem OC72 wie im folgenden Schaltplan zu sehen ist. Aus heutiger Sicht eine haarsträubende Schaltung und der OC72 ging denn auch rasch kaputt. Dass zu jener Zeit die flachen 4,5 Volt Batterien eingesetzt wurden, hing mit den damaligen Taschenlampen zusammen: Sie war deren Standardbatterie. 
 

  Mit dem Elektronikbaukasten von Philips konnte man noch andere Schaltungen bauen und ich habe sie damals alle ausprobiert. Doch keine hat mich so fasziniert wie die Radioempfänger. Dass man mit diesen seltsamen und teilweise mit farbigen Ringen versehenen Teilen Stimmen und Musik über hunderte und tausende von Kilometern Entfernung hören konnte, erschien mir damals wie Zauberei. Erst als ich ein gewisses Buch in die Hände bekam, begann ich die Zusammenhänge zu verstehen. Es war das Buch Radiobasteln für Jungen von Heinz Richter.
Da es noch kein Internet gab, waren Bücher die wichtigste Quelle von Informationen.

In den folgenden Jahren habe ich alles gelesen, was ich in die Finger bekam, nicht nur Technisches; ich las mich quer durch die Bibliothek meiner Eltern. Bis heute bin ich ein Vielleser geblieben. 

Heinz Richter hat neben "Radiobasteln für Jungen" noch viele andere Bastelbücher geschrieben. Zwar liefen seine Schaltungen nicht immer problemlos, aber ich habe trotzdem mein gesamtes Taschengeld in elektronische Komponenten gesteckt, die in einem Elektronikladen in Bern zu finden waren. Ein Elektronikladen verkaufte damals hauptsächlich Bauteile und hat nichts mit den Mediamärkten unserer Zeit gemein. Selbstbedienung war damals noch nicht üblich und auch im Elektronikladen musste man anstehen und die Ware an der Verkaufstheke bei einem der Angestellten bestellen, der dann in der Tiefe des Lagerraums verschwand und nach einiger Zeit mit dem Gesuchten wieder auftauchte.

Obwohl damals noch viel mit Röhren gebaut und experimentiert wurde, waren Transistoren meine Lieblinge. Elektronenröhren spielten erst zu einer späteren Zeit meines Bastler- und Funkerlebens eine gewisse Rolle. Doch darüber mehr in einem der nächsten "Erinnerungen".    

           

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