Donnerstag, 27. November 2025

Erinnerungen eines Funkamateurs 3 - HA-350

 


Blick vom Mont Coudon auf die Stadt Toulon. Rechts im Bild der Mont Faron


Mit dem Lafayette HA-350 hatte ich nun einen Empfänger, der die damaligen Amateurfunkbänder auf Kurzwelle abdeckte: 80m, 40m, 20m, 15m und 10m in 600kHz Abschnitten. Zudem noch 14.5 - 15.1 MHz, um die Zeitzeichen-Stationen WWV auf 15 MHz zu hören, die nicht nur die genaue Zeit sendeten, sondern auch frequenzgenau waren. 

Für die Rundfunkbänder war der HA-350 nicht vorgesehen, doch dafür hatte ich ja noch Grossvaters Autophon. Mit dem Lafayette konzentrierte sich meine Tätigkeit als SWL nun hauptsächlich auf den Amateurfunk. Doch meine nächtlichen SWL Aktivitäten hatten keinen guten Einfluss auf meine schulischen Leistungen. Meine Noten in Französisch - einer Sprache, die ich nicht mochte - wurden von schlecht zu katastrophal. Hätte mir damals jemand prophezeit, dass ich in ferner Zukunft einen französischen Pass besitzen würde und dass ich in der Romandie, in  Charmey wohnen würde, ich hätte dies als dummen Witz aufgefasst. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Doch zurück zum HA-350. Dies hier soll ja kein Lebenslauf sein, sondern eine Erinnerung an meine Funker-Laufbahn.

Scrollt man beim Eintrag von Rigpix für den HA-350 nach unten, bekommt man auch einen Blick ins Innere des Empfängers. Zudem kann man das User Manual herunterladen, in dem das Schema enthalten ist. Ich muss immer wieder staunen, wie viele Funkamateure ihre Kiste noch nie aufgeschraubt und einen Blick unter die Haube geworfen haben. Das wäre früher unvorstellbar gewesen.

Mit seinen 12 Röhren bot der Lafayette einen beeindruckenderen Anblick als der fast leere Innenraum seines Vorgängers, des Hallicrafters S-120. Das schlug sich auch in den Empfangsleistungen nieder, die wesentlich besser waren. Der Empfänger war im 80m Band ein Einfachsuperhet mit einer Zwischenfrequenz von 455 kHz. Im Bild seines Innenlebens ist das mechanische ZF-Filter für SSB gut zu sehen. Für AM genügten Spulenkreise. Die anderen Bänder von 10m bis 40m wurden mithilfe eines Quarzoszillators und eines zweiten Mischers ins 80m Band umgesetzt. Bei diesen Bändern war der HA-350 also ein Doppelsuper mit einer variablen ZF von 3.5 - 4.1 MHz. Um trotzdem eine genügende Vorselektion zu erhalten (Spiegelfrequenzunterdrückung!), besass der Empfänger einen Preselector - ein abstimmbares HF-Filter am Antenneneingang. Ein damals gängiges Prinzip, wie wir es z.B. auch bei den Geräten von Drake wiederfinden. Aus heutigen Geräten ist der manuell abstimmbare Preselector verschwunden.

Apropos mechanische Filter: Diese wurden ab den 50er Jahren in hochklassigen Empfängern eingesetzt, da mit Spulenfiltern keine so gute Selektion erzielt werden konnte. Quarzfilter kamen erst später zum Einsatz, weil diese billiger in der Herstellung waren. Heute hat die digitale Signalverarbeitung auch diese ersetzt.   

Wie gut war der HA-350 damals? In meinen Erinnerungen war er natürlich das Non Plus Ultra. Dass ich damals in den Nachtstunden auf dem 40m Band nur einen undurchdringlichen Wellensalat hören konnte, schrieb ich den vielen Rundfunkstationen zu, die damals nicht nur das nahe 41m Band bevölkerten, sondern häufig auch Frequenzen im Amateurfunkband besetzten. Dabei hatte das 40m Band in Europa schon das Handicap, nur 100kHz breit zu sein. Die US-Amateure konnten sich hingegen auf ganzen 300 kHz tummeln. 

Wie gut der HA-350 wirklich war, fand ich erst Jahrzehnte später heraus.  Dann, als ich den Fehler beging, einen alten HA-350 im Internet aufzustöbern und aus nostalgischen Gründen zu kaufen. Ein Fehler, den ich im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte noch mehrmals machte. Immer wieder kaufte ich ein altes Gerät, an das ich gute Erinnerungen geknüpft hatte. Und immer wieder machte ich von neuem die Erfahrung, dass uns unsere Erinnerungen täuschen können. Erst kürzlich hat sich bei mir diese besondere Lernresistenz verflüchtigt.

Der alte HA-350 war keineswegs so gut, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Im Vergleich zu neueren Empfängern war sein Grosssignalverhalten schlecht und die Bänder voller Phantomsignale. Auch fehlte es ihm an Empfindlichkeit und Frequenzstabilität. Auch das fehlende CW-Filter störte mich nun. Doch all das hätte ich eigentlich wissen müssen. 

Trotzdem konnte ich mit dem Gerät in den sechziger Jahren DX-Stationen aus der ganzen Welt hören. Und manchmal kam sogar eine QSL-Karte als Antwort auf meine SWL-Karte zurück. Mein Empfangsrufzeichen, das mir damals von der Generaldirektion der PTT zugeteilt worden war, lautete HE9GPB. Die PTT war, wie aus der Abkürzung hervorgeht für Post, Telephon und Telegraph zuständig. Darunter fielen auch Radio und Fernsehen und die ganze Funkkommunikation. Die GD PTT war ein eigenes "Königreich" innerhalb der Schweiz. Zwar unter Oberaufsicht des Bundesrates doch de facto Legislative, Exekutive und Judikative zugleich. Die Funkamateure waren vom Wohlwollen dieses "Königsreichs" abhängig. Dieses wurde uns in der Regel auch gewährt.     

Hier ein Bespiel für die QSL Karten, die ich als SWL damals erhielt:


1964 befand sich die Sonnenaktivität auf einem Minimum, nach dem höchsten Maximum aller Zeiten 1957. 10m war tot und auch auf 15m war selten etwas zu hören. Der Amateurfunkverkehr konzentrierte sich auf die längeren Bänder. Da der Empfang auf 40m nachts ungeniessbar war, konzentrierte sich meine Hörtätigkeit in dieser Zeit auf das 20m Band. Doch die Sonne kam rasch wieder in die Gänge und bereits im Winter 67/68 stieg die Sonnenfleckenzahl wieder über die 100er Marke. Doch das darauf folgende Maximum 1969 war eine Enttäuschung. Es war ein schwaches Maximum, wie man aus dieser Aufzeichnung der NOAA ersehen kann. Doch für mich waren die guten Funkbedingungen 1969 ein Ansporn. Denn Ende des Jahres wurde ich 18 Jahre alt und das bedeutete, dass ich dann endlich die Amateurfunklizenz machen konnte. Dass das nicht so lief wie geplant, konnte ich damals nicht ahnen. Doch bevor wir zu diesem Stolperstein auf meinem Lebensweg kommen, werde ich mich in meinem nächsten Beitrag zuerst noch einem anderen, etwas heiklen Thema widmen:

Einem Tun das glücklicherweise längst verjährt ist: meinen Sendeversuchen. Auch dazu gibt es in meinen Unterlagen keine Fotos oder Schaltpläne und ich werde das damalige Geschehen allein aus meiner Erinnerung rekonstruieren müssen. Wieso nichts als meine Erinnerungen aus dieser Zeit übrig geblieben ist, liegt daran, dass ich damals nicht in einem Verein war und meine Versuche nur mit ein paar gleichgesinnten Freunden teilen konnte. Einen Funkamateur als Mentor hatte ich nie. Während sich meine Schulkollegen in ihrer Freizeit mit Fussball und anderen Freizeitaktivitäten beschäftigten, werkelte ich lieber allein in meiner Funkbude und lauschte den Signalen aus dem Äther. Es ist kaum abzustreiten: ich war ein Einzelgänger und machte gerne mein eigenes Ding.

Mein nächster Blogeintrag heisst: Erinnerungen eines Funkamateurs 4 - Sendeversuche und soll im Dezember erscheinen.

     

Donnerstag, 20. November 2025

Erinnerungen eines Funkamateurs 2 - SWL

 


Blick vom Mont Faron auf die Stadt Toulon.


Zu Beginn der sechziger Jahre erhielt meine Faszination der kurzen Welle neuen Schwung. Ich wurde  zum SWL, zu einem passionierten Kurzwellenhörer. Immer auf der Suche nach neuen Rundfunkstationen. Von der Existenz des Amateurfunks wusste ich damals noch nichts, obwohl mir manchmal Signale auffielen, aus denen ich nicht schlau wurde. Morsen konnte ich noch nicht und SSB konnte ich nicht empfangen. Zwar war ich nicht mehr auf das Radio aus dem Philips Baukasten angewiesen; das Radio meines Grossvaters hatte den Weg in mein Zimmer gefunden. 

Ein Autophon 832 mit dunklem Bakelit Gehäuse. Autophon war ein Schweizer Hersteller in Solothurn. Übrigens nicht der einzige in der Schweiz. In allen Ländern Europas sprossen Radiohersteller wie Pilze aus dem Boden. Viele grosse Marken entstanden, deren Namen heute nur noch Radiosammlern geläufig sind. Später gesellte sich dann noch ein defekter Biennophon Empfänger zu meinem Autophon.

Hier das Datenblatt aus meinen Unterlagen und das Schaltbild des Autophon-Empfängers:



  



Wie in allen Radios dieser Zeit kann man auch hier keinen Transistor entdecken. Die Elektronik war damals noch fest im Griff der Röhrentechnik. Die Ultrakurzwelle war mir nur aus der Literatur bekannt. Im Rundfunk spielte sie damals noch keine Rolle. UKW wurde in der Schweiz erst in den Siebzigerjahren eingeführt. Doch darüber mehr in einer späteren "Erinnerung" hier im Blog.
In den Haushaltungen lief das Radio meist auf der Mittelwelle. Gehört wurde der Landessender Beromünster auf 531 kHz und in der französischsprachigen Westschweiz Sottens auf 765 kHz. Im Tessin stand die Skala auf 558 kHz für den Sender Monte Ceneri in italienischer Sprache. 
Dass der Sender Sottens später in meinem Leben als Amateurfunker noch eine wichtige Rolle spielen würde, ahnte ich damals natürlich nicht.

Zuerst einmal spielte der kaputte Biennophone, von dem ich leider keine Unterlagen besitze, eine entscheidende Rolle. Denn sein Lokaloszillator funktionierte noch und es gelang mir, diesen auszukoppeln und als als Überlagerungsoszillator für den Autophon zu benützen. Etwas umständlich zwar, doch damit konnte ich zum ersten Mal Aussendungen in SSB im 40m Band hören. Es waren Amateurfunkstationen. Doch noch hielt ich sie nicht für Funkamateure. Die abgehörten Gespräche waren, wenn auch in deutscher Sprache, sehr seltsam und voll unverständlicher Abkürzungen. Wohl eine Art Geheimsprache, dachte ich.

Doch dann erzählte mir eines Tages ein Junge aus einer anderen Schulklasse, sein Vater sei Funkamateur. Er habe eine Station zuhause, mit der er Kontakt mit der ganzen Welt aufnehmen könne. So wurde denn ein Besuch arrangiert und für mich tat sich eine neue Welt auf. Die Cubical-Quad auf dem Haus des Schulkollegen war mir zwar schon früher aufgefallen, doch ich hatte das seltsame Gebilde für eine Art Vogelscheuche gehalten. Die Erklärungen des Funkamateurs und die Demonstration seiner Station - er besass eine Drake Line - weckten in mir den Entschluss, auch eines Tages Funkamateur zu werden. Dieser Besuch war gewissermassen die Initialzündung. Nicht nur zu meinem Weg zum Funkamateur sondern auch zu meiner beruflichen Laufbahn.

Eine Drake Line sollte später auch in meinem Shack eine wichtige Rolle spielen. Auch eine Cubical Quad. Allerdings eine tragische. Sie schaffte es nie auf ein Hausdach, klappte vorher zusammen und wurde tatsächlich zu einer Art Vogelscheuche.

Voll mit frischem Impressionen und mit geliehenen Büchern ging ich in der nächsten Zeit an den Bau eines eigenen Empfängers. Der Autophon mit dem kaputten Biennophon als externer BFO genügte mir nicht mehr. Ich wollte Einseitenband besser empfangen können und auch den Signalen der Funkamateure auf anderen Bändern lauschen. Dem 80m Band zum Beispiel, wo die Schweizer Sonntagsrunde stattfand.

Wir schrieben das Jahr 1962 und inzwischen gab es auch andere Germanium Transistoren. Den AF124 zum Beispiel, der im Gegensatz zum OC75 auch für Hochfrequenzverstärkung geeignet war. Der steckte nicht mehr in einem schwarz angemalten Glasröhrchen, sondern in einem kleinen Metallgehäuse. Und als besonderes Merkmal besass er vier anstatt nur drei Beine. Das vierte Bein war mit dem Gehäuse verbunden, das den Transistor abschirmte.

Mit dem AF124, bzw. seinem Vorgänger AF114 habe ich zwei so genannte Audion Empfänger gebaut. Ein Prinzip mit einer rückgekoppelten Verstärkerstufe. Beginnt die Stufe zu schwingen, können CW und SSB Signale decodiert werden. Als nachfolgender NF-Verstärker dienten mir die beiden OC75 aus dem Philips Baukasten. Audion-Empfänger waren damals bei Bastlern sehr beliebt. Ihre Schaltung war einfach, benötigte nur wenige Bauteile und war trennscharf. Um AM Signale zu empfangen wurde die Rückkopplung so eingestellt, dass der HF-Verstärker gerade kurz vor seinem Schwingeinsatz stand. 

Mein erstes Audion fand in einem selbst gezimmerten Holzgehäuse Platz und war für das 80m Amateurfunkband ausgelegt. Endlich konnte ich die Sonntagsrunde empfangen und den interessanten Gesprächen der Schweizer und deutschen Funkamateuren lauschen.
Das zweite Audion deckte das 40m Band ab und ich hatte mir dafür extra ein Metallgehäuse im Elektronikladen in Bern besorgt. Es lief sehr gut und ich war stolz auf mein Werk. Zumindest bis ich mit meinen Eltern im Pfynwald beim Ostercamping war. Dort war ebenfalls ein Funkamateur zugegen. Er hatte zwar keine Station dabei, aber mein Vater machte mich auf den Mann aufmerksam: "Das ist ein richtiger Funkamateur. Speich doch mal mit ihm!"
Was ich leider auch tat. Ich zeigte dem Funkamateur mein selbst gebautes 40m Audion und als er mich aufforderte, den Deckel abzuschrauben und ihm das Innere zu zeigen, erwartete ich nichts anderes als ein Lob für mein Werk. Doch das Gegenteil war der Fall: "Dein Gerät ist nicht sauber aufgebaut. Die Verdrahtung ist wie ein Vogelnest", beschied er mir.

Doch sein Urteil hatte auf meine zukünftigen, selbst gebauten Geräte keinen Einfluss. Auch heute noch baue ich Vogelnester. Funktion vor Schönheit, lautet mein Motto für Selbstgebautes. Bin halt kein Künstler, sondern ein Homo Faber. 

Leider habe ich die beiden Empfänger nicht mehr. Sie sind, wie die meisten anderen Dinge meines Funkerlebens hinter dem Vorhang der Zeit verschwunden. Weder Bilder noch Schaltbilder sind übrig geblieben.

Auch der Nachfolger meiner selbst gebauten Audion-Empfänger ist schon längst verschollen. Wahrscheinlich habe ich ihn mal verkauft um mit dem Erlös Bauteile im Elektronikladen zu kaufen. Schon bald kam bei mir der Wunsch auf, einen Empfänger zu besitzen, der den ganzen Kurzwellenbereich abdeckt. Um einen Superhet zu bauen, zudem noch einer, der den ganzen Bereich von Mittelwelle bis 30 MHz abdeckt, dazu war ich damals nicht in der Lage. Aber man kann Empfänger auch kaufen, wenn man einen spendablen Onkel hat. So kam ich schliesslich zu meinem ersten "richtigen" Kurzwellenempfänger, einem Hallicrafters S-120. Der erste einer ganzen Reihe von Empfängern, die bei mir über den Schreibtisch wanderten, den ich jetzt Stationstisch nannte.

Der S-120 - hier im SWL Blog schön zu sehen - war ein sehr einfaches Gerät mit vier amerikanischen Röhren: 12BA6, 12BE6, 12AV6 und 50C5. Hallicrafters war damals eine renommierte Firma in Chicago, die neben günstigen Empfängern auch hochklassige Geräte herstellte. Den S-120 habe ich im virtuellen Hallicrafters Museum nicht gefunden. Die Firma wurde 1966 aufgelöst, sie hatte ihren Zenith längst überschritten. Der S-120 war kein Meisterstück, sondern ein Billigmodell. So waren auch seine Leistungen. Es war ein Einfachsuper mit einer ZF von 455 kHz. Die Spiegelfrequenz-Unterdrückung war deshalb mehr als bescheiden. Mindestens hat er seinen Eingang in das Radio Museum gefunden, der Webseite der Radiosammler.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich auf dem Camping-Platz im Rimini mit dem S-120 den Kurzwellensenders Schwarzenburg hörte. Doch für den Amateurfunk war er zu wenig empfindlich und trennscharf und im 40m verursachte die Spiegelfrequenz zusammen mit dem ungenügenden Dynamikbereich ein undurchdringliches Tohuwabohu.

Deshalb machte er bald einmal seinem Nachfolger Platz auf meinen SWL Stationstisch. Auch wieder ein Amerikaner. Ein Lafayette HA-350 aus Syosset bei New York. Er hielt es bei mir wesentlich länger aus, als sein Vorgänger und erlebte noch meine Prüfung bei der Generaldirektion PTT für die Lizenz als Funkamateur. Bis dahin sollte es aber noch einige Jahre dauern. Die Lizenz konnte hierzulande erst mit 18 Jahren gemacht werden.

Über den HA-350 und meine weiteren Funkabenteuer aus den 60er Jahren mehr im nächsten Beitrag: Erinnerungen eines Funkamateurs 3 - HA-350.     

   

Mittwoch, 12. November 2025

Erinnerungen eines Funkamateurs 1 - Germanium

 






Hier in den westlichen Voralpen, im Greyerzerland, erleben wir einen goldenen Herbst, mit viel Sonnenschein und klarer Sicht. Viele Bäume besitzen noch ihre gelb und rot gefärbten Blätter, doch einige sind schon kahl. Von den Höhen der umliegenden Berge blicken wir auf ein weisses Meer, als würden wir an der Küste wohnen. Es ist das Nebelmeer, das in dieser Jahreszeit oft das Mittelland bedeckt. In der Ferne ragen die Berge des Jura aus dem Nebelmeer. Meine Funkkollegen, die in der Tiefe dieses Meers wohnen, sind dann gespannt auf meinen Wetterbericht und wollen wissen, ob es sich lohnt, aufzutauchen und auf einen der vielen SOTA-Gipfel zu klettern, die wie Inseln aus dem weissen Wolkenmeer herausragen.

Funktechnisch gibt es keine grossen Neuigkeiten zu berichten. Die Ausbreitungsbedingungen auf den kurzen Wellen sind gut - kein Wunder in der Nähe des 11-jährigen Sonnenfleckenmaximums. Doch die DX-Signale höre ich hier im Alpental nur gedämpft; die Berge ringsum blockieren die Wellen, die in flachen Winkeln einfallen möchten. Doch NVIS geht prima. Nahverkehr ausserhalb der Bodenwellenreichweite ist oft im 40m und manchmal auch noch im 30m Band möglich. 

Dass unser 70cm Band unter Druck kommt, weil eine US-Firma dort Satellitenbetrieb machen möchte, habt ihr vielleicht schon gelesen. Auch dass unsere Tätigkeit im 23cm Band wegen des europäischen Galileo Navigationssystems stark eingeschränkt werden wird, wisst ihr sicher auch. Und dass es kaum berichtenswerte Neuigkeiten auf dem Funkgerätemarkt gibt, ist offensichtlich.

Auch aus meiner Funkbude gibt es nicht viel zu berichten. Ausser dem Exitus der 2m Endstufe, die ich kürzlich gekauft hatte. Schon nach kurzer Zeit hat sie ihren Geist aufgegeben und anstatt sie nach England zurückzusenden, habe ich versucht, sie selbst zu reparieren. Das ist mir trotz der lückenhaften Dokumentation gelungen. Obwohl der Support des Herstellers bescheiden war und er mir keinen Schaltplan schicken wollte. Schliesslich musste ich nur eine Freilaufdiode ersetzen, die ungenügend dimensioniert worden war. Ich habe mir vorgenommen, nie mehr ein Gerät ohne umfassende technische Dokumentation zu kaufen. Apropos Freilaufdiode: diese sollte mindestens den Schaltstrom des Relais ertragen und so ein kräftiges Antennenrelais hat bald mal so um die 200mA. Mit einer 1N4007 kann man nichts falsch machen.

Das zweite Vorkommnis schaltungstechnischer Art war ein zusätzliches ICOM Mikrofon, das ich gekauft habe. Ein HM-219, wie es z.B. zum IC7300 oder IC9700 mitgeliefert wird. Äusserlich sah das gekaufte Mikrofon gleich wie mein vorhandenes aus, doch sein Inneres unterschied sich deutlich. Die Schaltung war stark vereinfacht worden und die Bauteile wiesen andere Werte auf. Die Modulation war deshalb auf den tiefen Frequenzen gedämpft. Für Abhilfe sorgte ein 100nF Kondensator anstelle des 10nF der parallel zum 22k Widerstand in der Mikrofonleitung sitzt. Nun ist die Modulation nicht mehr vom Orginalmikrofon zu unterscheiden. 

Es gibt also zurzeit kaum Interessantes aus dem Alpental zu berichten. Deshalb werde ich in den folgenden Blogeinträgen versuchen, meine Geschichte zu erzählen. Warum ich mich schon als kleiner Bub für die Ätherwellen interessierte und wie ich schliesslich zum Amateurfunk kam. Damit natürlich auch über meine individuell gefärbte Geschichte des Amateurfunks in den vergangenen Jahrzehnten. Über meine Erlebnisse, über deren Höhen und Tiefen und über die Basteleien und Gerätschaften, mit denen ich am Funkverkehr teilgenommen habe. 

Hier also der erste Teil meiner Erinnerungen:

Meine persönliche "Funkgeschichte" begann irgendwann in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. Wann genau, vermag ich nicht mehr zu sagen. Doch nehmen wir mal an, ich war damals 8 Jahre alt. Die Zeit: Oktober 1959.
Die persönlichen Fotos und Dokumente aus dieser Zeit sind spärlich. Aber an Einiges erinnere ich mich noch, als wäre es erst gestern gewesen. So zum Beispiel an mein erstes Radio. Es entstand aus einem Philips Baukasten, den ich zum Geburtstag geschenkt bekam. Dieses Radio und seine Unterlagen sind in der langen Reihe der Umzüge und Turbulenzen meines Lebens verschwunden. Doch den Schaltplan dieses Geräts, den habe ich noch. Ein einfacher Detektorempfänger, der genau so aufgebaut wurde:


Viel gehört habe ich damit nicht, vermutlich war der Draht, den ich als Antenne verwendete, zu kurz, oder ich hatte das Gegengewicht vergessen. Doch der Philips Baukasten hatte noch mehr zu bieten. Der Detektorempfänger konnte mit einem zweistufigem Transistorverstärker ergänzt werden und sah dann so aus:


 Damit hatte ich mehr Erfolg und konnte doch einige Rundfunkstationen auf Kurzwelle hören. Diese Stimmen, dieses Raunen und Rauschen aus dem Äther hat mich dermassen fasziniert, dass es mich seitdem nicht mehr losgelassen hat. Auf welcher Wellenlänge die empfangenen Signale waren, vermag ich nicht mehr zu sagen, vielleicht im 49, 41 oder 31m Band. Vielleicht habe ich damals auch kürzere Wellen empfangen, Ende der Fünfzigerjahre erreichte die Sonne ein Maximum ihrer Aktivität. Das höchste, das jemals registriert wurde. Leider kann ich mich an eine Skala des Radios nicht mehr erinnern. Vermutlich hatte er keine. Sie hätte sich mir sicher eingeprägt. Auch wenn mein Zahlengedächtnis nicht speziell gut ist, Frequenzen und Wellenlängen vergesse ich selten. 

Wie man aus dem Schaltplan ersehen kann, wurden neben einer Germanium-Diode OA70 zwei Germanium Transistoren OC75 eingesetzt. Damals eine Novität, den der Transistor wurde gerade erfunden, als ich geboren wurde und wir befanden uns damals noch voll und ganz im Röhrenzeitalter. Die Radioempfänger in den Wohnungen waren durchwegs mit Röhren bestückt. Was ein Computer war, wusste keiner, Taschenrechner gab es nicht und die Telefone hatten alle eine Wählscheibe. Die Menschen schrieben sich Briefe und bei wichtigen Ereignissen traf jeweils ein Telegramm von unseren Verwandten aus Übersee ein.

Hier im Bild sind ein Transistor OC75 und eine Diode OA70 zu sehen, wie sie damals in meinem Radio verwendet wurden:


Die ersten Germanium Transistoren wurden in kleine Glasröhrchen eingebaut, die gegen Lichteinfall schwarz lackiert waren. Licht hätte die Funktion des Transistors gestört. Der Glaskörper der Diode OA70 ist hingegen durchsichtig und man kann ihren Aufbau deutlich erkennen: Die Spitze eines Metalldrahtes drückt auf ein Germaniumplättchen.
Für die spätgeborenen Betrachter des Fotos: das längliche Teil im Bild soll als Massstab dienen und ist kein Elektronikbauteil. Man nennt es Zündholz und es wurde früher zum Feuermachen gebraucht. 

Silizium wurde damals noch nicht in Halbleitern eingesetzt. Germanium war der Halbleiter der Stunde. Daneben spielte in Leistungsgleichrichtern Selen noch eine Rolle. Aber diese grossen, aus einer Reihe von Platten bestehenden Gleichrichter, die bei Kurzschluss nach faulen Eiern stanken, kennt heute kaum jemand mehr. 
 
Für Lautsprecherbetrieb konnte der Empfänger noch mit einer weiteren Stufe ergänzt werden. Mit einem OC72 wie im folgenden Schaltplan zu sehen ist. Aus heutiger Sicht eine haarsträubende Schaltung und der OC72 ging denn auch rasch kaputt. Dass zu jener Zeit die flachen 4,5 Volt Batterien eingesetzt wurden, hing mit den damaligen Taschenlampen zusammen: Sie war deren Standardbatterie. 
 

  Mit dem Elektronikbaukasten von Philips konnte man noch andere Schaltungen bauen und ich habe sie damals alle ausprobiert. Doch keine hat mich so fasziniert wie die Radioempfänger. Dass man mit diesen seltsamen und teilweise mit farbigen Ringen versehenen Teilen Stimmen und Musik über hunderte und tausende von Kilometern Entfernung hören konnte, erschien mir damals wie Zauberei. Erst als ich ein gewisses Buch in die Hände bekam, begann ich die Zusammenhänge zu verstehen. Es war das Buch Radiobasteln für Jungen von Heinz Richter.
Da es noch kein Internet gab, waren Bücher die wichtigste Quelle von Informationen.

In den folgenden Jahren habe ich alles gelesen, was ich in die Finger bekam, nicht nur Technisches; ich las mich quer durch die Bibliothek meiner Eltern. Bis heute bin ich ein Vielleser geblieben. 

Heinz Richter hat neben "Radiobasteln für Jungen" noch viele andere Bastelbücher geschrieben. Zwar liefen seine Schaltungen nicht immer problemlos, aber ich habe trotzdem mein gesamtes Taschengeld in elektronische Komponenten gesteckt, die in einem Elektronikladen in Bern zu finden waren. Ein Elektronikladen verkaufte damals hauptsächlich Bauteile und hat nichts mit den Mediamärkten unserer Zeit gemein. Selbstbedienung war damals noch nicht üblich und auch im Elektronikladen musste man anstehen und die Ware an der Verkaufstheke bei einem der Angestellten bestellen, der dann in der Tiefe des Lagerraums verschwand und nach einiger Zeit mit dem Gesuchten wieder auftauchte.

Obwohl damals noch viel mit Röhren gebaut und experimentiert wurde, waren Transistoren meine Lieblinge. Elektronenröhren spielten erst zu einer späteren Zeit meines Bastler- und Funkerlebens eine gewisse Rolle. Doch darüber mehr in einem der nächsten "Erinnerungen".