Bild: Dent de Broc 1829m HB/FR-026
Gerade ist mir das neuste HB-Radio ins Haus geflattert. Die Hochglanz-Clubzeitschrift der USKA. Sie platzt fast von den riesengroßen Egos, die einem ins Auge springen. Doch je größer der Glanz, je kleiner der Informationsgehalt. Eine Selbstbeweihräucherung der Extraklasse. Schade, dass die Gazette gedruckt und nicht online daherkommt. Das würde die Entsorgung vereinfachen. Aber vielleicht ist das so eine Art Statussymbol oder ein politisches Ding. Ich kenne mich damit nicht aus.
Vielleicht ist es so wie mit allem, das vor dem Untergang steht. Wie mit den Dinosaurier, die auch immer grösser wurden, bevor sie vom Planeten verschwunden sind. Oder wie mit unseren Automobilen, die sich von den Überresten der Dinosaurierzeit ernähren. Sie werden jedes Jahr immer grösser und passen kaum mehr in eine Parklücke. Auch sie platzen vor lauter Ego aus allen Nähten.
Aber eigentlich wollte ich heute nicht über die Entsorgungsprobleme überflüssiger Hochglanzbroschüren schreiben, sondern darüber, wie es mir beim Umzug ins Alpental ergangen ist. Was ich in den zweieinhalb Jahren erlebt und gelernt habe. Hauptsächlich aus radiotechnischer Sicht, versteht sich.
Der Grund für unseren Ortswechsel hat nichts mit dem Amateurfunk zu tun. Da hätte es wesentlich bessere Möglichkeiten gegeben. Andere ziehen des Funkens wegen in den hohen Norden, wo sie Antennen nach Lust und Laune aufstellen und endlich die DX-Verbindungen nachholen können, die sie in ihrem Leben verpasst zu haben glauben. Allerdings sind die Funk-Bedingungen in der Nähe oder oberhalb des Polarkreises auch nicht das Gelbe vom Ei. Anstelle von QRM aus dem Elektronikschrott der Nachbarn, plagt den OM der PCA (Polar Cap Absorption Effect). Da nützt dann die beste Antenne nichts, wie ich auf den Lofoten erleben musste. Im Buch "Propagation and Radio Science" von Eric Nichols KL7AJ werden u.a. auch die Funkbedingungen im hohen Norden gut beschrieben. Es ist nicht nur für Nordlandfunker lesenswert, sondern generell für Funkamateure, die sich für die Ausbreitung von Funkwellen interessieren.
Doch zurück zu den Beweggründen für unseren Umzug ins Alpental: Wer in Rente geht und die Möglichkeiten und Freiheiten hat, sich für seinen letzten Lebensabschnitt ein gutes und schönes Plätzchen zu suchen, sollte es tun. Doch alles kann man nicht haben, und so mussten wir uns zwischen unseren Wunsch-Destinationen entscheiden: den Alpen und dem Mittelmeer. Das Funkhobby hatte nur einen untergeordneten Einfluss auf den Entscheid. Wichtiger sind im Alter Dinge wie Infrastruktur, Gesundheit und Sicherheit. Eine Antenne kann man überall installieren. Das ist bloss eine Frage der Fantasie.
Was den Amateurfunk anbelangt, war ich nie ein grosser DXer oder Contester. Meine Interessen lagen mehr bei Selbstbau, Experimenten und in den Randbereichen des Radiospektrums. Lang- und Mittelwellen einerseits und Mikrowellen andererseits haben mich immer am meisten fasziniert. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zum letzten Mal im klassischen DX-Band, auf 20m gefunkt habe.
An dem Kontakt mit meinen lokalen Funkkollegen war mir allerdings schon gelegen. Denn ich mag anregende technische Diskussionen. Doch wie erreicht man nun seine Funkfreunde, wenn man plötzlich auf der anderen Seite des Berges wohnt? "Natürlich über eine Relaisstation", werdet ihr sagen. Und an denen herrscht in der Schweiz wirklich kein Mangel. Unzählige Repeater dämmern auf Berggipfeln vor sich hin. In allen möglichen Betriebsarten und in allen möglichen Zuständen. Mit dem Internet vernetzt oder als einsame Wölfe. Die hört man auch heulen, wenn man im Alpental sitzt. Dank der guten Reflexion an den umliegenden Felswänden. Hier sind es etwa zwei Dutzend Relais, die ich empfangen kann. Sie sind zwar die meiste Zeit stumm, wie eine taube Nuss und ich frage mich, wer wohl den Strom für diese Geräte bezahlt. Oder für deren Unterhalt verantwortlich ist. Manche sind dermaßen neben der Frequenz, dass wohl kaum jemand vorbeischaut. Man hat sie mal hingesetzt und überlässt sie dem Zahn der Zeit.
Relais-Stationen sind aber nicht meine erste Wahl bei der Funkkommunikation. Das Internet schon gar nicht. Da kann ich gerade so gut das Smartphone oder die Glasfaser im Haus benutzen. Beim Amateurfunk bevorzuge ich die direkte Verbindung von meiner Antenne zur Antenne des Funkpartners oder Funkpartnerin. Trotzdem ist es gut zu wissen, dass da noch ein paar Relais wären, für den Fall der Fälle.
Deshalb wird mein Handfunkgerät nur selten gebraucht. Für direkte Funkverbindungen über die Berge hinweg braucht es etwas mehr Antennengewinn und Leistung.
Wie bei den Verbindungen über Relaisstationen setzte ich für Direktverbindungen ins Mittelland zuerst auch auf Reflexionen an den umliegenden Felszacken. Wir sind hier im Alpental quasi umzingelt von SOTA-Bergen. Ein gutes Dutzend dieser infrage kommenden Reflektoren liegen in Reichweite.
Doch bald stellte sich heraus, dass der beste Pfad ins Mittelland nicht über Reflexionen führte, sondern via Beugung (Diffraktion) an einem Hügelzug in nordöstlicher Richtung. Es waren die sanft geschwungenen Hänge der La Berra, die meinen VHF-Wellen einen Kanal öffneten. Interessanterweise direkt in die Bundeshauptstadt Bern.
Bild: Die La Berra 1719m HB/FR-028, etwa 6km von meinem Shack entfernt.
Zieht man eine Linie zum Gipfel, trifft sie in ihrer Verlängerung direkt auf Bern. Die Signale sind so gut, dass ich mit Stationen arbeiten kann, die in der Bundeshauptstadt mit dem Handsprechgerät unterwegs sind. Der Kanal ist dabei nicht auf Bern beschränkt und hat eine Streubreite von mehr als 30 Grad. Zwar sind in diese Richtung auch Verbindungen via Reflexionen an "meinen" Felszacken im Südwesten möglich, doch die Signale sind dabei wesentlich schwächer.
Bild: Verbindung Charmey - Bern
Die erwähnte Verbindung mit einem Handfunkgerät in Bern bedingt aber auch einen kräftigen Sender und eine Antenne mit Gewinn auf meiner Seite. Aktuell sind dies 100W aus einem Icom IC-9700 und dieser Antenne mit 10dBi Gewinn. Diese ist übrigens vertikal polarisiert. Aus dem einfachen Grund, weil heute die meisten auf VHF/UHF vertikal unterwegs sind. SSB Verkehr wie er noch in den 80/90er Jahren geläufig war und bei dem horizontale Yagis zum Einsatz kamen, ist selten geworden. Die meisten begnügen sich mit einem so genannten "Blindenstock". Einem weissen Stängel von Diamond. Auch bei den raren SSB-QSO's.
So ein Blindenstock ist übrigens etwas vom Unbrauchbarsten, was man in einer Tallage haben kann. Die Dinger strahlen schön flach - direkt in die Berghänge hinein und heizen bloss die Tannen auf. Elevation ist im Alpental gefragt. Und das nicht im esoterischen Sinn.
Bei UKW-QSO's ist es wichtig, dass beide Stationen die gleiche Polarisation benutzen. Bei unterschiedlicher Polarisation beträgt die Dämpfung bis zu 20dB. Ein Umstand der heutzutage leider oft vergessen wird.
Dieser spezielle Kanal vom Alpental nach Bern funktioniert nicht nur im 2m Band. Auch im 70cm und im 23cm Band sind Verbindungen möglich. Unter anderem kann ich die 70cm/23cm Relaisstation auf dem Lindenhofspital in Bern erreichen. Natürlich ebenfalls mit hoher Leistung und mit noch viel mehr Antennengewinn. Die 4m und 6m Wellen jedoch, haben es aber nicht so mit der Diffraktion. Die Signale im tieferen VHF-Bereich sind schwächer. Der Ausbreitungskanal Charmey-Bern scheint im 2m Band am besten zu funktionieren.
Jenseits dieses speziellen Kanals, sind ebenfalls Stationen aus dem Südwesten zu erreichen. Auf 2m geht es bis hinunter nach Genf und in die angrenzenden französischen Regionen. Dann allerdings wieder per Reflexion. Hauptverantwortlicher Reflektor für diese Verbindungen dürfte der Moleson in 14 km Entfernung sein. Ein gewaltiger Felsklotz, der 2000 Meter hoch am Rand der Voralpen steht.
Doch Richtung Osten, weiter in die Alpen hinein, wird es schwierig. Bei Verbindungen von einem Alpental ins andere hilft dann doch nur noch ein Relais oder aber die Kurzwelle. Wie es von hier aus auf den KW-Bändern aussieht und wie viel man mit einer bescheidenen Antenne erreichen kann, darüber werde ich in Teil 2 berichten.
100% Zustimmung zum Abschnitt mit der Hochglanz-Klubzeitschrift der USKA.
AntwortenLöschenPeinlicher geht es nicht mehr. Aber wie Anton schreibt:
Man muss nicht alles verstehen!
Technische Frage: Auf 2 Meter gibt es den Kanaleffekt. D.h. Verbindungen ohne Sicht gehen manchmal auf einer Frequenz sehr schlecht, aber 25 kHz höher sehr gut.
AntwortenLöschenAnsonsten: Eigentlich komisch: Funkwellen scheinen durch Wände hindurch zu gehen, aber vielleicht irren wir uns, und sie gehen nur außen herum. Geht also WLAN auf 2,4 GHz durch die Wand, oder über Reflexion aussen herum, oder wird es an der Ecke der Wand gestreut? Hängt sicher alles von der Wellenlänge und dem Material ab, aber wir machen uns als Funkamateure zu wenig Gedanken darüber. Bei Handynetzen ist die Indoor Versorgung auch problematisch. Und wer mal Tests mit Handfunkgeräten von Wohnung zu einer anderen Wohnung gemacht hat wird sehen, dass die Reichweite oft unter einem Kilometer liegt. DL9NBX Roland
Und dann kommt es noch darauf an, aus was für Glas die Fenster sind. Gewisse Fenster haben eine Beschichtung, durch die auch keine Funkwellen durchgehen. Dann ist es nochmal schlechter, aus der Wohnung herauszukommen.
AntwortenLöschenWas auch gesichert ist: Beton mit Armierung hat mehr Dämpfung als Ziegelmauerwerk, trockene Wände gehen besser als nasse Wände.
Aber dass auf 2m 25khz Unterschied so deutlich sein sollen, ist mir neu und in über 40 Jahren noch nicht untergekommen und auch von niemandem erzählt worden.
Gruß Stefan, DL8SFZ
Doch Stefan, den Effekt mit den 25 kHz auf 2m haben meine Kollegen und ich schon ganz oft beobachtet in letzten 20 Jahren bei QSOs in unterschiedlichen Regionen. 73
AntwortenLöschenDas 20m und ev. 17m Band geht meiner Meinung mit einem horizontalen Dipol in den "Alpentälern" auch sehr gut. Dein Loop wäre auf diesem Band noch effizienter. Habe auch sehr guten Erfahrungen mit dem magn. Loop, es ist eine gute alternative zu einem full size Dipol. Wobei die tiefen Frequenzen faszinieren mich auch. Jede Frequenz ob Kilometer- bis Millimeter-Wellen hat seinen eigenen Reiz. Das Leben ist viel zu kurz um alles zu machen. 73 de Geni, HB9EKJ
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